Wenn der Computer nicht alles weiß

Die Frage-Community Aardvark kombiniert menschliche Intelligenz mit smarten Algorithmen, um schnell Antworten zu finden.

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Von
  • Erica Naone

Die Frage-Community Aardvark kombiniert menschliche Intelligenz mit smarten Algorithmen, um schnell Antworten zu finden.

Das Beantworten schwieriger Fragen soll online bald zum lukrativen Geschäft werden und damit einem Problem abhelfen: So genannte Frage-Communitys, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen, leiden oft nach nur kurzer Zeit an zu vielen veralteten Antworten. Außerdem ist es enorm schwer, eine Software zu entwickeln, die automatisch Fragen verstehen und die besten Antworten liefern kann.

Damon Horowitz, Technologiechef und Mitbegründer des Start-ups Aardvark aus San Francisco, hat deshalb seinen ganz eigenen Ansatz gefunden. Er glaubt, dass die Erkennung und Verarbeitung natürlicher Sprache mittels moderner Algorithmen nur dann voll ausgeschöpft werden kann, wenn man die noch immer gegebenen Einschränkungen erkennt und diese Lücken dann mit menschlicher Intelligenz stopft.

Darauf baut auch Aardvark selbst auf. Die Firma hatte im Vorfeld intensiv nach Techniken aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz gefahndet, die es erlauben sollten, Nutzerfragen möglichst direkt zu beantworten. Doch dort war nicht viel zu holen. Deshalb verabschiedete Aardvark sich immer mehr vom vollautomatischen Prozess. "Wir kamen schließlich zu dem Schluss, dass es besser wäre, andere Menschen die Fragen beantworteten zu lassen." Die Maschine ist dann nur noch für die harte Rechenarbeit beim Indexieren aller Informationen verantwortlich. Auch diese Aufgabe ist schon schwer genug: Die Daten und das eingegebene Wissen können von Zehntausenden anderer Menschen stammen.

Die Schwierigkeiten, die Maschinen bei der Interpretation von menschlichen Aussagen haben, ist ein Grund dafür, dass das viel gehypte semantische Web bislang nur in der Nische vorkommt, etwa bei der Erschließung medizinischer Daten. Die Ursache: Sprache benötige die direkte Interaktion zwischen Menschen, sagt Horowitz, "um den Kontext zu verstehen und die Verbindung herzustellen".

Wenn ein neuer Nutzer sich bei Aardvark anmeldet, gibt er zunächst seine Facebook-Daten ein – und eine Liste von Themen, bei denen er sich besonders gut auszukennen glaubt. Wird dann beispielsweise die Frage gestellt, wo sich ein gutes Restaurant in Stadt X zum Thema Y befindet, versucht das System, andere Nutzer zu finden, die diese Frage beantworten könnten.

Aardvark muss zunächst die Frage analysieren, um das Thema zu bestimmen, bevor passende Nutzer mit ähnlichen Interessen gefunden werden können. Außerdem wird zunächst vermehrt nach Beantwortern gesucht, die mit dem Frager in einer sozialen Verbindung stehen. Dies wird durch das Sammeln von Daten aus seinem Facebook-Profil sowie bei Twitter erledigt. Selbst Blog-Einträge durchsucht Aardvark. Das Ergebnis, sagt Horowitz, sei künstliche Intelligenz, die menschliche Verbindungen nutzt, um passende Partner zu finden. "Denen können sie dann virtuell ins Auge sehen", sagt Horowitz.

Praktisch heißt das: Aardvark leitet eine Frage an ausgewählte Nutzer weiter und schickt die Antworten schließlich automatisch zurück. Fragen werden durch die Website, durch eine iPhone-Anwendung, per E-Mail oder Instant-Messaging entgegengenommen.

Genügend motivierte, hilfsbereite Nutzer scheint es zu geben. Hinzu kämen ein gewisser Stolz auf das eigene Wissen und guter Wille, meint Horowitz. Bei Untersuchungen innerhalb der Aardvark-Nutzerbasis ergab sich, dass die meisten Mitglieder mindestens alle paar Wochen Lust zum Beantworten von Fragen hätten. Die interne Aardvark-Statistik zeigt, dass das wohl stimmt: 50 Prozent aller Mitglieder des Angebots beantworteten Fragen regelmäßig.

Pedro Domingos, Dozent für Computerwissenschaften an der University of Washington, meint dagegen, dass es nicht immer notwendig sei, dass wirklich ein Mensch antworte. Es sei Verschwendung, wenn jedes Mal eine neue Antwort generiert würde, beispielsweise, wenn nach einer physikalischen Gleichung gefragt wird.

Domingos hält es außerdem für wenig sinnvoll, ganz mit dem Versuch aufzuhören, Maschinen das Verstehen von Fragen beizubringen. Data Mining und die Verarbeitung natürlicher Sprache hätten das Potenzial, Daten von verschiedenen auch undurchsichtigen Quellen aufzufinden, zusammenzufassen und dabei zu Ergebnissen zu kommen, die kein Mensch je hätte ermitteln können.

N. Sadat Shami, der bei IBM erforscht, wie Menschen online nach Expertenwissen suchen, hält den Ansatz von Aardvark allerdings trotzdem für sinnvoll. Die Fragen, die sich dort beantworten ließen, benötigten normalerweise keinen einzelnen Experten. "Man braucht nur jemanden, der antwortet und bereit ist, sich die Zeit dafür zu nehmen." (bsc)