Neue Urheberrechtsrichtlinie der EU in der Sackgasse

Das Europaparlament hat 199 Änderungsanträge zur Direktive für die Durchsetzung von Urheberrechten eingebracht und dringt darin vor allem auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze bei der Verfolgung rechtswidriger Kopierer.

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Die umstrittene EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Interessen der Verwerter geistigen Eigentums ist im Europaparlament schon bei der ersten Beratung im zuständigen Rechtsausschuss auf massive Hindernisse gestoßen. Die Abgeordneten haben die stattliche Zahl von 199 Änderungsanträgen zu dem Konstrukt eingebracht, mit dem die Kommission die Schadensersatzforderungen bei Urheberrechtsverstößen drastisch erhöhen und zahlreiche neue Auskunftsansprüche zur Erleichterung der Strafverfolgung -- vor allem bei Internetprovidern -- schaffen will. Die Parlamentsberichterstatterin Janelly Fourtou hatte zwar bereits kürzlich ein Kompromisspapier vorgelegt. Dieses hat die Vorschläge der Kommission in weiten Teilen jedoch sogar noch verschärft und beispielsweise ins Spiel gebracht, Rechtsverstöße im privaten Bereich als schwere Straftat zu behandeln. Dadurch würden auch Tauschbörsennutzer verstärkt ins Visier der Ermittler kommen. Viele Abgeordnete wollen der konservativen Politikerin daher nicht folgen.

Die Änderungsvorschläge reichen von der Ablehnung der gesamten Richtlinie über kosmetische Veränderungen einzelner Erwägungsgründe und Paragrafen bis hin zu weiteren Verschärfungswünschen. Wiederholt wollen Parlamentarier beispielsweise verhindern, dass die umfassenden Sanktionsmaßnahmen für die Behinderung des Wettbewerbs missbraucht werden können. Ein Dorn im Auge ist vielen Abgeordneten zudem Artikel 20, nach dem Versuche zu "ernsthaften" Urheberrechtsvergehen schwere strafrechtliche Folgen nach sich ziehen sollen. Vier linke Fraktionsmitglieder wollen diesen Artikel an liebsten komplett aus dem Entwurf entfernt wissen. Experten und Bürgerrechtsorganisationen wie die "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) zweifeln zudem an, dass die EU überhaupt derart substanzielle Rechtsänderungen vornehmen darf. Ihrer Ansicht nach bleibt dies weiterhin den nationalen Regierungen vorbehalten.

Angesichts der hohen Zahl der Änderungen musste der Rechtsausschuss am Anfang der Woche seine Beratungen über die Richtlinie vertagen: Der Übersetzungsdienst hatte es nicht geschafft, das 159-seitige Dokument in alle elf offiziellen Parlamentssprachen zu übersetzen. Der gesamte Fahrplan für die Direktive ist damit außer Takt geraten. Die Abstimmung im Ausschuss kann nun frühestens Ende November erfolgen. Das Plenum könnte sich dann höchstens noch kurz vor Weihnachten mit dem Papier beschäftigen. Joachim Würmeling, für die CSU im Europaparlament, sieht die Verhandlungen daher vorläufig "in einer Sackgasse". Es sei unklar, erklärte er gegenüber heise online, ob über alle Änderungsanträge überhaupt einzeln abgestimmt werden könne. Sinnvollerweise müsste die Berichterstatterin sie zu einem zweiten Kompromissvorschlag bündeln.

Auch dem konservativen Abgeordneten gehen die im Raum stehenden Sanktionsvorschläge "deutlich zu weit." Die Kommission sei über das Ziel des von allen mitgetragenen Urheberrechtsschutzes vollkommen hinausgeschossen. "Die rechtsstaatlichen Grundsätze werden nicht mehr gewahrt", kritisiert Würmeling. Die Linie der Kommission, immer weitere Schutzrechte wie etwa auch Patente in die Durchsetzungsrichtlinie mit einzubeziehen, sei verfehlt. Problematisch seien auch die faktisch mit der Richtlinie verbundenen neuen Haftbarkeitsregeln für Netz-Provider im Bereich Piraterie. (Stefan Krempl) / (jk)