Verfassungsbeschwerde gegen 0190-Gesetz

Der umstrittene Münchener Rechtsanwalt Günter Frhr. von Gravenreuth hat beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen das 0190-Gesetz eingereicht.

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  • Alexander J. Kleinjung

Der umstrittene Münchener Rechtsanwalt Günter Frhr. v. Gravenreuth zieht gegen das am 15.08.2003 in Kraft getretene "Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern" [PDF] juristisch ins Felde. Der Anwalt hat eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe erhoben und beantragt, § 43 b Absatz 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) für nichtig erklären zu lassen. Diese neu eingefügte Vorschrift begrenzt den Minutenpreis bei 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern auf 2 Euro bzw. den Tarif pro Einwahl auf 30 Euro.

Gravenreuth sieht seine durch Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt. Das Gesetz nehme ihm die Möglichkeit, zu einem standes- und wettbewerbsrechtlich angemessenen Preis telefonische Erstberatungen anzubieten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung vom 26.09.2002 die telefonische Rechtsberatung über eine kostenpflichtige 0190er-Nummer für grundsätzlich zulässig erklärt. Eine Rechtsberatung zu pauschalierten Preisen wird unter anderem auch von Internet-Zeitschriften angeboten.

Gegenüber heise online erklärte Gravenreuth das Dilemma: "Bei zeitabhängiger Abrechnung zahlt der Ratsuchende oft mehr, als ich für eine pauschalierte Erstberatung überhaupt berechnen will. Eine blocktarifierte Abrechnung mit maximal 30 Euro pro Gespräch nach der neuen Rechtslage liegt sehr oft unter den standes- und wettbewerbsrechtlich zulässigen Gebühren".

Das Gesetz gestatte zwar auch höhere Tarife, mache diese aber von einer "Legitimierung" des Anrufers abhängig. Die hierzu erforderliche PIN muss vom Verbraucher bei einer anerkannten Vergabestelle beantragt werden. Die Vergabestelle muss sicherstellen, dass diese PIN nur dem Anschlussinhaber mitgeteilt wird, der letztlich für die Kosten aufkommen muss. Die Beantragung und Zuteilung der PIN kann zwar auch elektronisch mittels "qualifizierter Signatur" erfolgen. Solange dieser Weg jedoch kaum verbreitet ist, bleibt dem Verbraucher in der Regel nur der Postweg.

Genau hierin sieht der Münchener Anwalt auch das Hauptproblem. "Wenn jemand eine Abmahnung bekommt, hat er in der Regel nur wenige Tage Zeit, hierauf zu reagieren. Er muss sich also schnell einen Überblick über die Sach- und Rechtslage verschaffen, um beurteilen zu können, ob eine Abmahnung berechtigt ist und um sich darüber zu informieren, wie er jetzt am besten reagiert. Reagiert ein Abgemahnter nicht oder zu spät, kann gegen ihn eine einstweilige Verfügung erlassen werden. Und dann wird es richtig teuer."

Neben seinen eigenen Belangen sieht der Jurist auch die Interessen potentieller Mandanten beeinträchtigt. Wenn ein Betroffener nur mit gewissem Aufwand an kompetenten Rechtsrat kommt, werde er sich an einen Rechtsanwalt in seiner Nähe wenden. Viele Anwälte seien jedoch im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes wie etwa bei Marken- oder Wettbewerbsverletzungen schlicht unerfahren oder überfordert.

Natürlich kann Gravenreuth eine telefonische Rechtsberatung auch ohne Verwendung einer 0190-Nummer anbieten. Schlechte Erfahrungen mit der Zahlungsbereitschaft von Ratsuchenden hielten ihn davon aber zusehends ab. "Gerade in Fällen begründeter Abmahnungen [...] laufe ich oft meinem Geld hinterher. Die Mandanten sehen manchmal nicht ein, dass sie den eigenen Anwalt auch dann bezahlen müssen, wenn er in der Sache selbst nichts mehr retten kann."

Ob Gravenreuth mit seiner Verfassungsbeschwerde Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. Das BVerfG nimmt Verfassungsbeschwerden nur dann zur Entscheidung an, wenn ihnen grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder wenn sie zur Durchsetzung verfassungsmäßiger Rechte eines Beschwerdeführers angezeigt sind (§ 93a BVerfGG). In jüngster Zeit hat das BVerfG wiederholt die Bedeutung der Berufsfreiheit bei Rechtsanwälten betont und sogar Regelungen aus der Berufsordnung für Rechtsanwälte für nichtig erklärt. (Alexander J. Kleinjung) (ghi)