Neugierige Elena

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Von
  • Dr. Hans-Peter Schüler

Bis zum Januar 2010 müssen sich zunächst Arbeitgeber in ein neues Verfahren zum elektronischen Datenaustausch mit Vater Staat einarbeiten. Elena, Kurzform für „Elektronischer Entgeltnachweis“, soll in einigen Jahren die Bewilligung oder Ablehnung von Arbeitslosengeld, Wohngeld oder Elterngeld vereinfachen [1, 2].

Für diesen Zweck müssen Unternehmen mit ihren monatlichen Gehaltsabrechnungen ab dem Jahreswechsel für jeden ihrer Beschäftigten zahlreiche Eckdaten wie Name und Anschrift, Versicherungsnummer, Gesamt-, Steuer- und Sozialversicherungs-Bruttoeinkünfte, Abzüge für die Sozialversicherung sowie steuerfreie Bezüge verschlüsselt an die zentrale Datenbank der Deutschen Rentenversicherung übermitteln. Eine detaillierte Beschreibung der Anforderungen findet sich etwa bei der Steuerberater-Genossenschaft DATEV, die auch Dienste zu deren Einhaltung offeriert [3].

Zu besonderen Anlässen wie Änderungen eines Arbeitsverhältnisses werden zusätzliche Pflichtangaben fällig, etwa dazu, ob eine Kündigung schriftlich und ob sie per Post erfolgt ist, ob eine Sozialauswahl stattgefunden hat und von welcher Arbeitsagentur diese überprüft worden ist, und ob nach Auffassung des Arbeitgebers ein vertragswidriges Verhalten des Betroffenen vorgelegen hat. So knifflige Fragen, ob etwa ein Streik als rechtmäßige Verhandlungsmaßnahme oder als Vertragsbruch einzustufen ist, werden oft genug erst vor Gericht zu klären sein – dafür genügt kein Häkchen für Ja oder Nein, sondern man hat eine formlose Erläuterung zu verfassen. Andererseits wird bei unbezahlten Fehlzeiten nicht zwischen dem sprichwörtlichen Blaumachen und unbezahltem Urlaub unterschieden, etwa zur Pflege eines kranken Angehörigen.

Die FDP hat die Elena-gespeiste zentrale Speicherstelle (ZSS) als neues Datenmonster gebrandmarkt und stieß damit ins selbe Horn wie Datenschützer und Gewerkschafter, nach deren Ansicht die Sammelwut der Elena-Ziehväter weit übers Ziel hinausschießt und sich kaum mit dem Gebot der Datensparsamkeit vereinbaren lässt [4].

Nach den Vorstellungen seiner Urheber dient das Gesetz zur Einführung von Elena dem Bürokratieabbau und soll der Bundesregierung jährlich 85 Millionen Euro einsparen. Der IT-Branchenverband Bitkom setzte prompt eins drauf und beklagte, dass Elena viel zu wenige der bestehenden Nachweispflichten ins Internet verlagere. Doch die Mitglieder des Bundesrats sehen das ganz anders: Sie waren im März mit dem Anliegen gescheitert, Elena wenigstens aus der Wohngeldvergabe herauszuhalten. Durch die Notwendigkeit, dabei auch Auskünfte über den Arbeitsverdienst per Elena einzuspeisen, erwarten die Länder nämlich statt einer Vereinfachung einen unverhältnismäßigen Verwaltungsmehraufwand.

Ähnlich wird mancher Personalchef empfinden, der sich für die angeblichen Erleichterungen jetzt durch eine 41-seitige tabellarische Datensatzbeschreibung und eine 50-seitige Ausfüllhilfe hindurchkämpfen soll. Bis 2012 wird er den bisherigen Papierkrieg trotzdem unvermindert weiterführen müssen. Erst danach könnte Elena erste Früchte tragen und manche der getrennt auszudruckenden Arbeitgeber-Bescheinigungen ersetzen.

Was dann wie ein Fortschritt anmuten könnte, kostet Bürger indes mehr als nur einen zügellosen Daten-Striptease. Antragsteller für die genannten Leistungen werden nämlich eine persönliche Signaturkarte benötigen. Wie man deren Anschaffung etwa als Hartz-IV-Empfänger finanzieren soll, ist derzeit ebenso unklar wie das Verfahren, mit dem ein Computer-unkundiger Bürger seine digital zu signierenden Anträge erst einmal formulieren soll.

[1] Peter Schüler, Atlas, Dakota, Elena & Co.

[2] Elena-Infoseite

[3] DATEV über Elena

[4] Wer streikt, wird erfasst, Joachim F. Tornau, Frankfurter Rundschau, 30. 11. 09, Ausgabe d (hps)