Disclaimer: Bizarre Stilblüten

In den wenigen Fällen, in denen E-Mail-Disclaimer sinnvoll sind, kommt es auf die Formulierung an - pauschale Distanzierung bringt nichts.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tobias Haar

Meist ist in Disclaimern am Ende von E-Mails davon die Rede, dass man fälschlicherweise erhaltene Informationen nicht nutzen darf und unverzüglich zu löschen hat. Liest man aber Beispiele wie das folgende, halten sich diese Standard-Disclaimer noch deutlich zurück:

„Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

Angaben in dieser Pressemeldung, die sich auf bevorstehende Planungen, Ereignisse oder Ergebnisse beziehen, sind zukunftsgerichtet, ebenso Aussagen, die Worte wie "glaubt", "erwartet", "plant", "ahnt" oder ähnliche beinhalten. Diese Aussagen sind mit Risiken und Ungewissheiten verbunden und basieren auf gegenwärtigen Erwartungen. Die tatsächlichen Ergebnisse können daher wesentlich von den in den zukunftsgerichteten Aussagen geäußerten Erwartungen abweichen.“

Was soll denn das bedeuten, wird sich mancher fragen. Da schickt jemand eine Pressemeldung an die Medien und warnt gleichzeitig davor, dass ja alles vielleicht nicht ganz so ernst zu nehmen ist und sich die in den "zukunftsgerichteten Aussagen geäußerten Erwartungen" vielleicht nicht einstellen. Auch die Vorlagen für derlei Texte kommen aus den USA. Im amerikanischen Rechtssystem ist es nun mal nicht ausgeschlossen, dass Aktionäre versuchen, sich an Unternehmen schadlos zu halten, wenn deren Aussagen über mögliche Umsatz- und Gewinnentwicklungen nicht eintreten. In Deutschland wird man in solchen Fällen eher nicht vor den Kadi gezogen, schaden kann ein entsprechender Disclaimer wiederum nicht. Auch wird sich mancher lieber lächerlich machen, als etwas Falsches zu tun. Wenn, dann aber doch bitte etwas kürzer und prägnanter:

"Der Dienstanbieter übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen.“

Disclaimer ergeben Sinn, wenn sie sich mit der aktuellen Rechtslage auseinandersetzen. Zum Beispiel ist der seit Jahren unter Juristen ausgetragene Streit um die Haftung für Internetinhalte ein Aspekt, den man als Webseitenanbieter berücksichtigen sollte. Bitte aber nicht so:

"Die Haftung ist ausgeschlossen."

Denn eine solche Klausel ist schlicht unwirksam. Und auch nicht so:

"Juristen ist der Zutritt untersagt."

oder so:

"Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt!
 Sollte der Inhalt dieser Seiten fremde Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzen, so bitten wir um eine entsprechende Nachricht ohne Kostennote. Die Beseitigung einer möglicherweise von diesen Seiten ausgehenden Schutzrecht-Verletzung durch Schutzrecht-InhaberInnen selbst darf nicht ohne unsere Zustimmung stattfinden. Es wird garantiert, dass zu Recht beanstandeten Passagen sofort und dauerhaft entfernt werden, ohne dass von Ihrer Seite die Einschaltung eines Rechtsbeistandes erforderlich ist. Dennoch von Ihnen ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgelöste Kosten werden wir vollumfänglich zurückweisen und es wird gegebenenfalls Gegenklage wegen Verletzung vorgenannter Bestimmungen eingereicht."

Mit den letzten beiden Varianten fordert man die Juristen geradezu heraus. Im ersten Fall, weil vielleicht dann erst recht ihr Jagdinstinkt geweckt wird, im zweiten Fall, weil man sich dann als Vertreter des Rechtsverletzers die Abmahnung tatsächlich sparen und gleich – deutlich kostspieliger – bei den Gerichten entsprechenden Rechtsschutz einklagen kann.

So aber kann man es tatsächlich machen:

"Meinungen und Behauptungen in den von mir nicht moderierten Blogs mache ich mir nicht zu Eigen."

Wenn die Blogs tatsächlich nicht moderiert werden, muss man erst dann handeln und Inhalte sperren, wenn man von deren Rechtswidrigkeit Kenntnis erlangt. Ein solcher Disclaimer kann also richtig sein und gegebenenfalls bei einer Verteidigung sogar helfen, denn man hat den Abmahnenden ja schon darauf hingewiesen, dass man zunächst nicht haftet.

Pauschale Distanzierungen, wie

"Hiermit distanziere ich mich von allen Inhalten der verlinkten Webseiten."

genügen aber nicht. Denn man muss sich schon "ausdrücklich" von etwas distanzieren und nicht einfach nur pauschal. Wenn man sich von den Inhalten verlinkter Seiten distanziert, sollte man sich vielleicht auch fragen, warum man den Link überhaupt anbringt.

Schlussendlich gilt aber selbstverständlich auch für diesen Artikel:

"Die Inhalte dürfen nur für die beabsichtigten Zwecke verwendet werden."

Oder etwas altbackener:

"Si forte in alienas manus oberraverit hec peregrina epistola incertis ventis dimissa, sed Deo commendata, precamur ut ei reddatur cui soli destinata, nec preripiat quisquam non sibi parata."

Wer sich seines Lateins nicht mehr ganz sicher ist, findet unter anderem hier eine Übersetzung dieses fast 1000 Jahre alten Disclaimers. (ck)