Wer erklärt Oma das E-Rezept und die ePA?

Das elektronische Rezept überfordert so manchen Patienten. Ärztevertreter verlangen zusätzliche Gelder für Hilfskräfte in Praxen.

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(Bild: LeoWolfert/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Das lange verschobene E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 die bisherigen Papierrezepte bundesweit ablösen. Damit auch wirklich alles klappt, soll es ab September noch einmal getestet werden. Das teilten die Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe (KVWL) und Schleswig-Holstein (KVSH) mit. Weil der erste Anlauf zu kompliziert und langwierig war, hatten beide Verbände den Test Ende 2022 abgebrochen. Der neue Test soll beweisen, wie einfach und schnell das E-Rezept funktioniert.

Dem stehen noch Hürden im Weg. Ende März erschien die Version 1.10 der Gematik-Rezept-App, die einige Abläufe vereinfacht, aber andere verkompliziert. Um die App zu registrieren, muss der Patient die rechts oben auf der eGK aufgedruckte Card Access Number (CAN) eingeben. Für jeden Abruf der Rezepte gibt er eine sechsstellige PIN ein, die er bei seiner Krankenkasse beantragen muss. Anschließend hält er seine eGK an den NFC-Leser seines Smartphones. Wenn alle Zahlen stimmen und das Smartphone die Karte richtig erkennt, meldet sich der Server mit den vom Arzt elektronisch signierten Rezepten.

Um sich die PIN leichter zu merken, kann sie der Versicherte in der App gegen eine sechsstellige Wunsch-PIN tauschen. Einmal angemeldet, bleibt die Verbindung zum Rezeptserver bis zu zwölf Stunden aktiv. So sollen Patienten sich ihre Rezepte zunächst daheim ansehen können. Gehen sie anschließend in eine Apotheke, müssen sie vor Ort nicht erneut mit der eGK hantieren oder ihre PIN eingeben, sondern nur ihr Smartphone mit geöffneter E-Rezept-App vorzeigen.

Ärzte und Patientenvertreter wünschen sich einfachere Verfahren, bei denen Patienten ihre Rezepte nur mit der eGK ohne App und PIN einlösen. Doch das ist bisher nicht möglich. Versicherte, die kein geeignetes Smartphone besitzen oder mit der App überfordert sind, können sich vom Arzt einen QR-Code ausdrucken lassen. Mit diesem gehen sie selbst zur Apotheke oder schicken einen Vertreter.

Um ein Rezept per Smartphone einzulösen, müssen Versicherte in der E-Rezept-App eine sechsstellige PIN eingeben.

(Bild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant darüber hinaus, dass 80 Prozent aller Versicherten bis Ende 2025 eine elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Dazu stellt er das aktuelle Opt-In- auf ein Opt-Out-Verfahren um – nur wer aktiv widerspricht, bekommt keine ePA.

Wie das Fachmagazin e-health-com.de kurz vor Ostern berichtete, ist die "Datenfreigabe für Forschungszwecke" der Patienten- und Medikationsdaten der ePA zunächst gesperrt. Der ePA-Server übermittelt sie erst an das im Aufbau befindliche Forschungsdatenzentrum (FDZ), wenn der Versicherte dies in der ePA-App erlaubt. Vom FDZ Gesundheit wandern die pseudonymisierten Daten dann auf deren Antrag hin weiter an Universitäten und Pharmafirmen.

Da mit Technik fremdelnde Patienten mit dem E-Rezept und der ePA überfordert sein dürften, fordert ein Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg einen Digitalisierungszuschuss. Jede Kassenarztpraxis solle pro Quartal 8000 bis 15.000 Euro zusätzlich erhalten, schreibt die Ärzte Zeitung. Mit diesem Geld soll sie eine Digitale Technische Assistenz (DTA) einstellen, die Patienten im Umgang mit dem E-Rezept und der ePA unterstützt. Das klingt wie ein Aprilscherz, zeigt aber, wie Ärzte die Telematik sehen: als zusätzliche Arbeitslast, nicht als Erleichterung.

Dass derlei Mittel bewilligt werden, ist unwahrscheinlich. Mit dem Ende 2022 verabschiedeten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) wurde im Sozialgesetzbuch V unter § 378 ein Passus aufgenommen, demzufolge Vertragsärzte und -zahnärzte ab dem 1. Juli 2023 eine monatliche Pauschale für ihre Aufwendungen beim Betrieb der Telematikinfrastruktur (TI) erhalten. Dazu gehören etwa die Kosten für Routerupdates, für POP3-Postfächer bei KIM-Anbietern (Kommunikation in der Medizin) und für den Versand von E-Rezepten und elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Allerdings scheiterten am Gründonnerstag vor Ostern die Verhandlungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Ärzte und Kassen konnten sich nicht auf die Höhe der Pauschale einigen. Nun ist das Gesundheitsministerium gefragt. Es hat bis zum 30. Juni Zeit, die Höhe der monatlichen Pauschale festzulegen. Ärztevertreter befürchten, dass die Pauschale die tatsächlichen Kosten der Praxen für die Anbindung an die TI kaum decken wird. Damit ist neuer Ärger programmiert, wenn die Kassen die Pauschalen im Juli erstmals auszahlen.

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(hag)