Windräder der Zukunft könnten viel höher sein als bisher

Windenergie könnte künftig "eine Etage höher" als bisher gewonnen werden. Auf dem Weg dorthin wurde nun der größte Windmessmast der Welt eröffnet.

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(Bild: Gicon-Gruppe)

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Höhenwindräder sind etwa doppelt so hoch wie bisherige Windräder – auch doppelt so hoch wie mit konventionellen Windkraftanlagen sollen dort die Energieerträge sein. Um die Machbarkeit solcher etwa 360 Meter hohen Windräder zu hinterfragen, hat der Ingenieurs-Unternehmensverbund Gicon-Gruppe einen 300 Meter hohen Windmessmast errichtet, der am Donnerstag auf Hochkippe Klettwitz in der Lausitz in Betrieb genommen wurde. Das Vorhaben kostet insgesamt 2,8 Millionen Euro.

Wegen des angrenzenden Windparks sei der Standort für den weltweit höchsten Mast seiner Art optimal, erklärt Gicon. Er besteht aus 99 Mastelementen, wiegt fast 70 Tonnen und ist mit 46 Messinstrumenten ausgestattet. Damit sollen unter anderem Windgeschwindigkeit, Luftdruck, Temperatur und Niederschlagsmenge zwölf Monate lang kontinuierlich erfasst werden.

Um das Verhalten von Fledermäusen zu erfassen, wurden entlang des Mastes sogenannte Batcorder angebracht, die die Ultraschalllaute der Tiere in hörbare Laute umwandeln. Hinzu kommen zwei LiDAR-Systeme am Boden, die mit dem Messmast kalibriert werden. Mit solchen Systemen könnten zukünftig Höhenwindmessungen deutlich einfacher durchgeführt werden, Messzeiten mit Windmessmasten würden deutlich verkürzt oder komplett überflüssig.

Martin Chaumet, Geschäftsführer des Auftraggebers Beventum, sieht den Mast als den ersten Schritt seines Unternehmens zur Erschließung des Höhenwindes. Dem sollen möglichst bald Prototypen für Höhenwindräder folgen. "Wie es die ersten Messungen andeuten, werden wir zukünftig in der Lage sein, überall Strom aus Höhenwindrädern zu akzeptablen Preisen zu erzeugen", sagte Chaumet am Donnerstag.

Für Gicon-Gründer Jochen Großmann wird mit dem Messmast der Grundstein für die Entwicklung von Höhenwindrädern gelegt, die "mit Nabenhöhen von 300 m die deutlich besseren Windverhältnisse in diesen Höhen nutzen können". Solche Höhenwindkraftanlagen könnten in den nächsten Jahren bestehende Windparks um eine zweite Etage ergänzen, so müssten keine neuen Flächen erschlossen werden. Kombiniert mit Solar- und Speicheranlagen könnten sie zu Ökostromkraftwerken ausgebaut werden. Zudem könnten so ehemalige Braunkohleflächen aufgewertet und die Grundlage für modernste Industrieansiedlungen geschaffen werden, die komplett mit Ökostrom versorgt werden.

Der neue Mast steht an einem Windpark.

(Bild: Gicon-Gruppe)

Bisherige Windkraftanlagen haben laut Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur eine durchschnittliche Nabenhöhe von gut 100 m, die maximale Höhe ist 166 m, beispielsweise im Windpark Bodensee in Niedersachsen. Hinzu kommt dort ein Rotordurchmesser von 136 m.

Die Beventum GmbH ist ein Tochterunternehmen der Bundesagentur für Sprunginnovation und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Es will die Potenziale des Höhenwindes erschließen und damit unter anderem das Standortproblem für Windenergieanlagen in Deutschland lösen. Das Erneuerbaren-Energien-Gesetz sieht vor, dass bis 2030 bundesweit insgesamt 71 GW Windenergie an Land geschaffen werden. 2022 wurden nach Angaben des Bundesverbands Windenergie Windenergieanlanden an Land mit einer Gesamtleistung von 2,4 GW installiert, die Gesamtleistung betrug damit 58 GW.

(anw)