Sind Privatkopierer nach EU-Recht bald Raubkopierer?

Der Rechtsausschuss des Europaparlaments will die pauschale Kriminalisierung von Urheberrechtsvergehen zwar verhindern, öffnet den EU-Mitgliedsstaaten aber alle Türen für weitergehende Bestimmungen.

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Die geplante EU-Richtlinie zur "Durchsetzung der Interessen der Verwerter geistigen Eigentums" sorgt weiter für Zündstoff. Der Rechtsausschuss des Europaparlaments stimmte Ende November über die gut 250 Änderungsantrage der Abgeordneten ab. In der Sitzung, die auf Grund der hohen Anzahl an Eingaben sehr unübersichtlich war, plädierten die Parlamentarier unter anderem dafür, den gesamten Gültigkeitsbereich der Richtlinie durch den neuen Artikel 2 auch auf nicht-gewerbliche Urheberrechtsverletzungen auszudehnen. Dies hatte vor allem die Berichterstatterin Janelly Fourtou gefordert. Die Bürgerrechtler der "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) warfen den Parlamentariern daher vor, "Tauschbörsen-Nutzer ins Gefängnis stecken" zu wollen. Denn falls die EU-Abgeordneten im Plenum dem Vorstoß des Rechtsausschusses folgen, könnten bald auch Rechtsverstöße im privaten Bereich als schwere Straftat behandelt werden.

Gegen die Vorwürfe wehrte sich nun die österreichische EU-Parlamentarierin Mercedes Echerer im Gespräch mit heise online. "Eine pauschale Kriminalisierung privater Nutzer ist nicht das Ziel", betonte die grüne Politikerin. Einem 15-Jährigen, der sich eine urheberrechtlich geschützte Datei aus dem Netz lade, "wird nichts passieren". Sie verweist dazu auf Artikel 20, der nach einem von Echerer mit eingebrachten Änderungsantrag nun besagt: "Mitgliedsstaaten sollen im Fall von Urheberrechtsverletzungen angemessene Sanktionen treffen." Im ursprünglichen Entwurf der Kommission waren dagegen pauschal strafrechtliche Zwangsmaßnahmen vorgesehen worden.

Dies wäre einer "Überstrapazierung" der rechtlichen Strafvoraussetzungen gleichgekommen, kritisiert Echerer. Von dem gefundenen Kompromiss erhofft sie sich nun ein Signal, dass "es um gewerbliche Rechtsverletzer geht, die vorsätzlich am Werk sind". Ganz ausgeschlossen wird die Kriminalisierung privater Nutzer durch die neue Klausel allerdings keineswegs. Damit könnten künftig Freiheitsstrafen auch Personen bei nicht-gewerblichem Handeln treffen, wenn sie "einen großen Schaden anrichten und vorsätzlich handeln", meint Echerer. Das trifft laut der Grünen auf die normalen Tauschbörsianer nicht zu.

Wirklich glücklich ist Echerer mit der gefundenen Lösung, die viele Fragen offen und den Mitgliedsstaaten beim Festlegen von Sanktionen freie Hand lässt, nicht. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn die Nutzung von File-Sharing-Diensten ähnlich wie die Privatkopie innerhalb eines gewissen Rahmens schon in der ursprünglichen Urheberrechtsrichtlinie freigegeben worden wäre. Generell beklagte sich die Österreicherin über die schärfer werdenden Töne der Lobbyisten aller Seiten im andauernden Streit um das Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft: "Man wird bombardiert, beleidigt, beschimpft -- das geht bis hin zur Erpressung."

Ein dickes Fell werden die Europaparlamentarier sich noch wachsen lassen müssen über den Winter -- bis zur Abstimmung im Plenum, die frühestens im Januar 2004 stattfinden könnte. Denn die Durchsetzungsrichtlinie, deren überarbeitete Form in den nächsten Tagen auf der Website des Parlaments veröffentlicht werden und vor allem das Verbot zum Umgehen technischer Schutzmaßnamen weiter ausdehnen soll, enthält nach wie vor zahlreiche Streitpunkte und wird selbst von traditionellen Urheberrechtlern als weit über das Ziel hinaus schießend und "unbegründet" kritisiert. (Stefan Krempl) / (jk)