Mobilfunk: 1&1 fordert Roamingpflicht – Netzbetreiber winken ab

1&1 kommt beim Ausbau seines eigenen 5G-Netzes nicht in die Puschen. Nun hofft der Neueinsteiger auf den Regulierer – die Konkurrenz reagiert scharf.​

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Ein Mann macht mit sinem Handy ein Selfie, im Hintergrund ein Sendemast

(Bild: foto500/Shutterstock.com)

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Die etablierten Netzbetreiber reagieren verschnupft auf einen Vorstoß von United-Internet-Chef Ralph Dommermuth, der für den Aufbau des eigenen Mobilfunknetzes erweitertes Inlandsroaming fordert. Der Aufbau des 5G-Netzes der United-Internet-Tochter 1&1 stockt. Dommermuth gibt dafür maßgeblich dem Infrastrukturpartner Vantage Powers die Schuld – und fordert nun, dass die Bundesnetzagentur die anderen Netzbetreiber zum Roaming verpflichtet.

Bisher verfügt 1&1 über ein Roamingabkommen mit Telefónica Deutschland. Sobald 1&1 die ersten Mobilfunkkunden ins Netz nimmt, können diese in den von 1&1 selbst nicht versorgten Gebieten im O2-Netz telefonieren und surfen – allerdings nur im LTE-Netz (4G). Im Interview mit dem Handelsblatt bezeichnet Dommermuth das als Problem: "Deshalb haben wir bei der Bundesnetzagentur nun nationales Roaming auch für 5G in den Netzen von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica beantragt."

Damit setzt 1&1 auf eine Neuregelung im Telekommunikationsgesetz (TKG). Die Bundesnetzagentur kann "geeignete Maßnahmen" ergreifen und nationales oder regionales Roaming durchsetzen, "wenn die Umstände dies rechtfertigen". Eine Roaming-Verpflichtung würde dann wechselseitig für alle Netzbetreiber gelten. Die Regulierungsbehörde prüfe den Sachverhalt, bestätigte ein Sprecher. Das heißt: Erst kommt die Marktanalyse und dann eine Entscheidung. Der Ausgang ist offen.

Nationales Roaming sei "ein bewährtes Verfahren, damit Kunden schon während der Zeit des Aufbaus eines neuen Netzes flächendeckend versorgt werden", sagte eine 1&1-Sprecherin der dpa. Das Unternehmen sieht im Roaming einen Ausgleich für fairen Wettbewerb und "Chancengleichheit mit den etablierten Betreibern von Mobilfunknetzen". Die drei etablierten Netzbetreiber weisen Dommermuths Forderung unterschiedlich scharf zurück: Von "absurd" (Telekom) über "unverschämt" (O2) bis "verwundert" (Vodafone) reichen die Reaktionen.

"Das ist unverschämt und aus unserer Sicht völlig unhaltbar", sagte Markus Haas am Mittwoch in München. Der Chef von Telefónica Deutschland (O2) geht davon aus, dass die Bundesnetzagentur den Antrag ablehnen wird. Beim Netzbau müsse man investieren "und nicht immer jammern und den Regulierer um Hilfe bitten", sagte Haas, zeigte sich aber zu Verhandlungen über 5G-Roaming ohne staatliche Anordnung bereit – zu "fairen Preisen".

1&1 verweist darauf, dass für jedes transportierte Gigabyte Netzmiete gezahlt werde. Zudem habe das Unternehmen schon viel Geld investiert und 20.000 Antennen gekauft, die nun aufgebaut werden sollen. "Es hat für uns daher keinen Sinn, unnötig lange teure Roaming-Kapazitäten zu nutzen", sagte eine Sprecherin der dpa. "Außerdem bleiben wir weiterhin an die Ausbauauflagen der Bundesnetzagentur gebunden." Verzögerungen im Netzausbau kämen die Firma damit "doppelt teuer zu stehen".

Die Bundesnetzagentur führt ein Bußgeldverfahren gegen 1&1, weil das Unternehmen die mit der Frequenzvergabe verknüpften Auflagen nicht erfüllt hat. 1&1 hat bei der Frequenzauktion 2019 eigenes Spektrum für 5G-Mobilfunk ersteigert. Damit verbunden ist die Auflage, bis Ende 2022 mindestens 1000 Mobilfunkstandorte aufzubauen. Daran ist 1&1 krachend gescheitert: Den jüngsten Informationen zufolge hat das Unternehmen derzeit ganze 20 Standorte in Betrieb – und die auch nur für ein Festnetzersatzprodukt (Fixed Wireless Access, FWA).

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Ironischerweise gab es nationales Roaming schon einmal – und damals hat der O2-Vorgänger davon profitiert. Ab 1999 hatten die Deutsche Telekom und Viag ein freiwilliges Roaming-Abkommen, während der damals vierte Anbieter sein Netz aufbaute. Haas, der schon bei Viag an Bord war, will den Vergleich aber nicht gelten lassen. In vier Jahren habe sein Unternehmen eine GSM-Abdeckung von 75 Prozent der Bevölkerung hinbekommen. "Wir haben damals einfach 6000 Standorte gebaut, wir haben nicht lange rumlamentiert", sagte der O2-Chef. 1&1 hingegen habe nach vier Jahren noch keinen einzigen Standort für die Handynutzung aktiviert.

(vbr)