"Loitering Munition": Bundeswehr erprobt Kamikazedrohnen

Im Herbst bezeichnete die Bundesregierung den Vormarsch von Lenkwaffen, die sich weitgehend selbständig Ziele suchen, als besorgniserregend. Nun starten Tests.

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Kampfdrohne von Rheinmetall

Diese Combat Drone wurde von Rheinmetall entwickelt

(Bild: Rheinmetall)

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Die Bundesregierung hat erstmals eingeräumt, sich praxisnah mit dem Einsatz von Kamikazedrohnen auseinanderzusetzen. "Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr führt derzeit eine Studie zur Erstellung einer Strategie für Loitering Munition mit dem Auftragnehmer AMDC GmbH durch", erklärte der parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Thomas Hitschler (SPD) vor Kurzem auf eine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. Dabei handelt es sich um Lenkwaffen, die zunächst ohne bestimmtes Ziel gestartet werden und längere Zeit über einem anvisierten Gebiet kreisen. Ist ein lohnendes Objekt ausgemacht, wird dieses durch einen Betriebsführer am Boden per Datenlink zugewiesen und angegriffen.

Das IT-Amt der Streitkräfte und die bayerische Ingenieursfirma mit Kernkompetenzen im Rüstungsbereich sichten dazu derzeit den Markt, erläuterte Hitschler. In diesem Rahmen seien "drei Systemen unterschiedlicher Hersteller" aus Israel – Rafael Advanced Defense Systems, Israel Aerospace Industries (IAI) und Uvision Air – "zur weiteren Begutachtung" bereits beschafft worden. "Eine Erprobung der Systeme hat zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht stattgefunden." Die konkreten Tests sollen aber bald folgen: Hitschlers Kollegin Siemtje Möller (SPD) teilte mittlerweile auf eine Nachfrage Hunkos am Mittwoch mit: "Die Begutachtung der beschafften Systeme findet nach derzeitigem Planungsstand ab dem Jahr 2024 statt."

Der Studienvertrag umfasst Möller zufolge eine "Roadmap Loitering Munition". Demnach soll ein Fahrplan für den potenziellen Einsatz solcher Kamikazedrohnen erstellt werden, wovon 2021 erstmals die Rede war. Über dessen Umsetzung müsste dann das Bundesverteidigungsministerium entscheiden. Im September 2022 hatte die Regierung in einer Antwort auf Anfrage der Linksfraktion noch betont: "Die globale Proliferation von 'Loitering Munition', die durch vergangene und aktuelle Konflikte und Kriege forciert wird", stelle aus sicherheitspolitischer Perspektive "unabhängig vom Automatisierungsgrad der Systeme eine besorgniserregende Entwicklung dar." Dies gelte vor allem auch mit Blick "auf die Bedrohungspotenziale gegenüber der Bundeswehr und den Streitkräften verbündeter Staaten". Damals seien noch keine Projekte zur Beschaffung solcher smarten Waffen verfolgt worden. Prinzipiell soll das hiesige Militär seine aus Israel bezogenen militärischen Drohnen vom Typ Heron TP bewaffnen können.

IAI baut das Waffensystem Harop. Diese Mischung aus Drohne und Marschflugkörper setzten etwa die aserbaidschanischen Streitkräfte im Krieg um Bergkarabach 2020 gegen armenische Truppen ein. Uvision vertreibt verschiedene Modelle seiner Hero-Familie, die aus den Systemen Wasp und Blade Arrow hervorging. Dabei handelt es sich um High-Tech-Waffen mit vier Flügeln, die sich nach dem Abschuss automatisch ausklappen. Rafael gilt mit seinem System FireFly als der einzige Hersteller, dessen Loitering Munition mit zwei gegenläufigen Rotoren senkrecht abheben kann.

"Zur Förderung der heimischen Industrie könnte der Zuschlag an Uvision gehen", blickt das "Neue Deutschland" in die Zukunft. Das in Haifa angesiedelte Unternehmen kooperiert mit dem Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall. Dieser stellte jüngst auf Basis dieser Zusammenarbeit eine Kampfdrohne vor, die quasi als Mutterluftschiff für mehrere mit Granaten bestückte Multicopter dient. Die intelligente, ferngesteuerte Munition soll feindliche Kampfmittel mit aufklären, ansteuern und zerstören sowie Gegner töten können. Als Trägersystem für die abwerfbaren Drehflügler-Granaten ist aktuell die Aufklärungsdrohne Luna NG vorgesehen.

(mki)