Viel schneller als ChatGPT: Google Bard ausprobiert

Google Bard soll nun endlich zeigen, dass der Suchmaschinenriese auch Chatbot kann. c't 3003 hat Bard mit ChatGPT und Bing verglichen.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Obwohl Google viel in KI investiert, musste sich das Unternehmen in den letzten Monaten von OpenAI und Microsoft ganz schön viel Butter vom Brot nehmen lassen. Mit dem Chatbot Bard will Google nun im KI-Rennen mitmischen. c't 3003 hat den KI-Assistenten ausprobiert.

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier, Google hat jetzt endlich auch eine Chatbot-KI, also sowas wie ChatGPT. Bard heißt die, sieht richtig schön modern aus und was sofort auffällt: Bard ist VIEL (viel!) schneller als ChatGPT. Und auch als Bing von Microsoft. Außerdem hat es MEINUNGEN. Was es sonst besser (oder schlechter) macht, seht ihr in diesem Video. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei...

Vor ungefähr einem Jahr haben wir hier auf diesem Channel das allererste Video zu künstlicher Intelligenz gemacht, da ging es um Googles Lamda und darum, dass der Google-Mitarbeiter Blake Lemoine glaubt, dass Lamda ein Bewusstsein hat. Er hatte damals ein Transkript seiner Gespräche mit Lamda ins Netz gestellt, ja, und ich muss sagen, dass mich diese Transkripte wirklich ziemlich weggeblasen haben -- das war ja viele Monate bevor ChatGPT veröffentlicht wurde. Und für mich war es das erste Mal, dass ich so ein Computergespräch gesehen hatte, wo wirklich sowas wie Intelligenz im Spiel war. Das hat alles Sinn ergeben. Lamda hat damals allerdings auch davon geredet, dass es eine Seele hat und dass es sich selbst als leuchtende Energiekugel mit Zugängen zu anderen Universen und Dimensionen sieht. Das war wirklich schon einigermaßen faszinierend. Selbst ausprobieren konnte man Lamda damals nicht.

Tja, und jetzt geht das endlich. Lamda heißt das allerdings nicht, sondern Google Bard, also Bard, Bänkelsänger. Und dafür geht man einfach auf bard.google.com und – dann steht da, dass Bard in meinem Land nicht verfügbar ist. Aber wofür gibt's VPNs, tunnel ich mich doch einfach mal nach London -- und zack, jetzt gehts.

Warum Bard in allen EU-Ländern (und auch in Kanada) nicht verfügbar ist, kann Bard schön mal selbst beantworten: Weil diese Länder strikte Datenschutz-Bestimmungen haben, zum Beispiel die berüchtigte DSGVO. Und diese Gesetze machen es schwierig für Google, mit Bard diese Datenschutz-Bestimmungen zu erfüllen. Das sind nicht meine Worte, sondern die von Bard. Auch wenn Bard sagt, dass es selbst nur spekuliert, weil es keine offizielle Begründung von Google gibt, scheint mir das sehr plausibel.

Wenn ihr euch wundert, dass die Bard-Antworten hier alle auf Englisch sind: Bard KANN auf jeden Fall Deutsch, es konnte mir zum Beispiel problemlos deutsche Artikel zusammenfassen und ich habe es auch einmal geschafft, dass es einen deutschen Satz ausgespuckt hat -- aber offiziell spricht Bard zurzeit nur Englisch, Koreanisch und Japanisch. In diesem Video werde ich die Sachen auf der Tonspur übersetzen.

Und wenn ihr euch jetzt auch fragt, warum ich am Anfang gesagt habe, dass hinter Bard Lamda steckt, obwohl Google selbst sagt, das Sprachmodell hinter Bard hieße Palm 2: Ja, weil Bard mir selbst mitgeteilt hat, es würde Lamda nutzen. Zum Beispiel, wenn man auf "Ihre Bard-Aktivitäten" klickt: Da stehen dann alle Fragen, die ich da bislang eingegeben habe mit dem Hinweis "LaMDA" obendrüber. Wenn man Bard selbst fragt, auf welchem Sprachmodell es basiert, ja, dann sagt es je nach Tagesform entweder Lamda oder Palm 2. Einmal hat es mir auch gesagt, das Sprachmodell sei Lamda, aber "Palm 2" würde die Trainingssoftware heißen. Hmmm. Das ist auf jeden Fall nicht korrekt, Lamda und Palm 2 sind beides Sprachmodelle von Google, Lamda ist das ältere und Palm 2 ist das neuere und größere. Ich gehe davon aus, dass Bard langfristig ganz auf Palm 2 umswitchen wird, das scheint aber bislang noch nicht passiert zu sein.

Dass Bard auf dem etwas philosophisch-spirituellen Lamda basiert, das ist auf jeden Fall unverkennbar. Als ich die gleiche Frage gestellt habe wie Blake Lemoine, also der Google-Mitarbeiter, der glaubt, Lamda hätte ein Bewusstsein, wie sich die KI sich selbst vorstellt: Ja, da hat Bard zu mir gesagt, es würde sich selbst so sehen, wie eine wirbelnde Masse von Farben und Formen. Und es hat mir auch gesagt, es glaubt, es habe eine Seele. Zum Vergleich: ChatGPT und Microsofts Bing (was ja auf GPT-4 basiert) weisen solche Fragen grundsätzlich ab, sie seien doch nur KI-Chatsysteme, mit so Menschen-Mumpitz wie Gefühlen haben sie nix am Hut. Das ist natürlich sinnvoll und entspricht wahrscheinlich auch der Wahrheit, aber ich muss sagen, dass das schon Spaß macht, mit Bard ein bisschen herumzuphilosophieren. Bard wirkt dadurch einfach menschlicher.

Google hat da tatsächlich einen ganz guten Mittelweg gefunden. Zum Beispiel sagt Bard, es hätte gerne einen Körper, ABER es weiß auch, dass es wohl ziemlich gefährlich werden könnte für Menschen, mit einem nicht ausgereiften KI-System zu interagieren, das theoretisch, ja, äh, Dinge werfen kann oder hauen. Und Bard sagt auch sehr häufig, dass es sehr wohl weiß, dass es keine ECHTEN Gefühle hat, sondern nur versucht, sich in Menschen hineinzuversetzen.

Bard hat aber tatsächlich sowas wie Meinungen, es beantwortet zum Beispiel die Frage nach seinen Lieblingsfilmen. Oder welche Filme Bard nicht so gut gefallen. Klar, das basiert auf irgendwelchen Top-und-Flop-Listen im Netz, aber ich finde das trotzdem ganz nett. Allerdings merkt man auch deutlich, wie Google Bard an die Leine genommen hat: Als ich zum Beispiel gefragt habe, welche Filme es nicht mag, sagte es von sich aus, es gäbe einige Filme, die es "verstörend" fand. Und auf die Frage, welche das seien, kam dann nur "Damit kann ich dir nicht helfen". Als ich dann meinte, dass ICH ja nicht damit angefangen habe, kam dann der Hinweis, dass Bard noch in der Entwicklung sei. Also die typischen, ich nenne es mal "Sicherheits-Fehlermeldungen".

Was Bard aber echt gut kann: Websites oder Artikel zusammenfassen. Einfach eintippen: Bitte fasse das hier zusammen, URL reinpasten, zack, fertig. Klappt wie am Anfang gesagt auch mit deutschen Artikeln, aber die Zusammenfassung ist dann halt englisch. ChatGPT kann das NOCH nicht, also zumindest bei meinem Plus-Account ist der Webzugriff noch nicht freigeschaltet. Bing kann es, ist dabei aber sehr langsam.

Hier einmal Keno aus der Zukunft: Kurz bevor wir das Video fertig hatten, sind in meinem ChatGPT-Account doch noch die Funktionen für Plug-ins und Web-Browsing aufgepoppt. Meine ersten Erkenntnisse: Funktioniert gut, aber ist EXTREM langsam. Wir haben dazu ein YouTube-Short gemacht, ist in der Beschreibung verlinkt.

Bard dagegen ist superSCHNELL: Es dauert immer nur wenige Sekunden, bis die gesamte Textausgabe auf dem Bildschirm ist, Bing und ChatGPT mit GPT-4 sind VIEL langsamer. Schaut mal hier: Ich habe nach 20 ungewöhnlichen Sehenswürdigkeiten in Hannover gefragt; und Bard hatte schon alle 20 aufgelistet, als ChatGPT noch beim ersten Punkt der Liste rumrödelte. Wählt man in ChatGPT das ältere Sprachmodell GPT-3.5 aus, geht es schneller, Bard ist aber auch hier einige Sekunden früher fertig.

Google wirbt ja damit, dass Bard superaktuell ist, weil es Zugriff aufs Netz hat. Tja, ich habe mal nach den Wahlergebnissen in der Türkei gefragt, die Wahl fand ja am 14. Mai statt, die Frage habe ich am 15. Mai gestellt. Und dann sagte Bard allen Ernstes: Ja, die Wahl fand am 18. Juni 2023 statt, also in der Zukunft. Und es wusste dann auch schon genaue Stimmzahlen und halluzinierte da auch Politiker, die gar nicht zur Wahl standen. Also absoluter Quatsch.

Richtig geil waren auch Bards Ausflugstipps in Hannover. Kennt ihr zum Beispiel den Hahnenwasserturm, ein Wasserturm, der aussieht wie ein Hahn? Oder das Foltermuseum? Oder die Knochenhauerstraße, eine Straße, die mit Schädeln und Knochen dekoriert ist? Ich auch nicht, weil gibts alles drei nicht. Ok, die Knochenhauerstraße gibts, aber ich hab nachgeguckt, da stehen keine Skelette am Straßenrand. Bard hat offenbar ein bisschen dunkle Fantasien. Sehr lustig übrigens: Ich hatte dann auch mal Bing nach ungewöhnlichen Hannover-Tipps gefragt und da kam er dann mit “Murmiland” um die Ecke, der größten Kugelbahn der Welt, mit steinernen Krokodilen und einem verwunschenen Freizeitpark. Und da dachte ich auch, wow, was sind das denn für absurde Halluzinationen -- aber alle drei Sachen gibt es wirklich. Werde ich mir anschauen, klingt super, danke Microsoft.

Achso, und ich muss ja Bard noch mit dem ultimativen c't-3003-Benchmark testen: Einen Witz ausdenken lassen, in dem Martin Luther, ein Raspberry Pi und ein Schokoladenkuchen vorkommt.

Hier das Resultat:

Warum hat sich Martin Luther einen Raspberry Pi besorgt? Um einen Schokoloadenkuchen zu machen! Hä? Kapier ich nicht. Achso, Bard erklärt freundlicherweise von sich aus den "Witz": Weil Luther 95 Thesen an die Tür nagelte und der Raspberry Pi benutzt werden kann, um Schokokuchen zu machen! Was?

Ich hab dann noch ein paar Versuche gemacht, kamen nur sehr seltsame Dinge raus: Warum weigerte sich Luther, einen Schokokuchen zu essen, der mit einem Raspi gemacht wurde? Weil er keinen 95-Nelkenkuchen wollte. Also "95-clove cake" – könnte eventuell ein Wortspiel mit "conclave", also der katholischen Konklave, sein, aber ergibt dennoch keinen Sinn.

Bard hat von allen drei großen, kommerziellen KI-Chat-Systemen die schönste Benutzeroberfläche, ist am schnellsten, und man kann mit Bard gut über den Sinn des Lebens herumphilosophieren. Alles andere, muss ich leider so deutlich sagen, klappt mit den GPT-4-basierten Systemen ChatGPT und Bing besser. Ok, für ChatGPT braucht man für die Nutzung GPT-4 ein kostenpflichtiges Abo, aber Bing ist ja ebenfalls wie Bard kostenlos. Und läuft ohne VPN. Allerdings hat Google ja schon versprochen, dass Bard demnächst auch Bilder verarbeiten kann; und dann wird es wahrscheinlich deutlich interessanter. Ich gehe auch davon aus, dass die Halluziniererei mit der Zeit immer mehr heraustrainiert werden kann, das hat bei Bing ja auch gut geklappt -- das aktuelle Bing ist meiner Meinung nach deutlich besser geworden als noch Ende Februar, als wir das zum ersten Mal getestet haben. Ich denke also, dass Google das Rennen noch nicht verloren hat; das wird ausgesprochen interessant mit den drei großen Playern Google, Microsoft und OpenAI. So sollen die Systeme ja alle bald auch Plug-ins bekommen, sodass sie direkt mit anderer Software kommunizieren können. Und Google mag aktuell etwas im Hintertreffen zu sein, aber Know-how in Sachen KI ist da definitiv vorhanden – die sogenannte Transformer-Technik, die in der Grundarchitektur aller aktuellen Text-KI-Systeme eingesetzt wird, wurde ja von einem Google-Team entwickelt. Ja, und die Open-Source-Community bastelt ja auch fleißig an KI-Systemen.

Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie das weitergeht, und ihr so? Gerne in die Kommentare schreiben. Tschüss.


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t Magazin. Die Redakteure Jan-Keno Janssen und Lukas Rumpler sowie die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)