Streitsache Urheberrechtsabgabe auf PCs

Während Verwertungsgesellschaften und eine kleine Gruppe von Herstellern den jüngst erzielten Kompromiss zur Urheberrechtsabgabe auf PCs begrüßen, bleiben die langfristigen Konsequenzen der Vereinbarung zwischen ZPÜ und BCH für künftige Verhandlungen der Branche, aber auch für Verbraucher, offen.

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Von
  • Matthias Parbel

Den am 23. Dezember 2009 erzielten "Kompromiss" zur Urheberrechtsabgabe auf PCs begrüßen die Zentralstelle für private Überspielrechte (ZPÜ), der Bundesverband Computerhersteller e.V. (BCH) sowie "Interessensvertreter der Kreativen" hierzulande ausdrücklich. Die Neue Musikzeitung Online beispielsweise lobt die Einigung "als wichtigen Schritt zur gerechten Entlohnung der Kulturschaffenden". Die Konsequenzen der von einigen wenigen PC-Herstellern herbeigeführten Vereinbarung für die IT-Branche wie auch für Verbraucher sind jedoch noch keineswegs abschließend geklärt.

Die im Bitkom organisierten PC-Hersteller und Importeure hegen noch immer nicht nur grundsätzliche Bedenken gegen eine Abgabe auf PCs, sondern insbesondere auch gegen die Höhe der von den Verwertungsgesellschaften – GEMA, VG Wort, VG Bild-Kunst – geforderten Urheberrechtsvergütungen und berufen sich dabei unter anderem auf eine von TNS Infratest im Auftrag des Bitkom erstellten Studie. Zumindest herrschte darüber unter den Vertretern des Arbeitskreises "Urheberrechtliche Abgaben" innerhalb des Bitkom bis Ende vergangenen Jahres noch mehrheitlich Einigkeit.

Nachdem das zwischenzeitlich vor der Schiedsstelle des Deutsches Patent- und Markenamtes (DPMA) eingeleitete Schiedsverfahren ruht, hatten ZPÜ und Bitkom die 2008 abgebrochenen Verhandlungen wieder aufgenommen. Im Dezember 2009 scheiterte dann jedoch eine Abstimmung des Arbeitskreises über die Annahme des von der ZPÜ vorliegenden Angebotes an der dafür erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit.

Allerdings traten schon zu diesem Zeitpunkt einige der nach Marktanteilen größten PC-Hersteller hierzulande dafür ein, mit der ZPÜ einen "hinnehmbaren Kompromiss" zu schließen. Offensichtlich war auch das Präsidium des Bitkom geneigt, sich den Wünschen dieser Mitglieder anzuschließen und über die Entscheidung des Arbeitskreises hinwegzusetzen – zumal sich in der Abstimmung des Arbeitskreises nach Auskunft des Bitkom über 50 Prozent der Mitglieder für einen Vertrag mit der ZPÜ ausgesprochen hätten.

Das LG Berlin jedoch stoppte einen möglichen Vorstoß des Präsidiums, die Vereinbarung trotz fehlender erforderlicher Mehrheit für die Bitkom-Mitglieder zu unterschreiben: Zwei Mitglieder des Arbeitskreises – Brunen IT Distribution GmbH und Hyrican Informationssysteme AG – hatten am 23. Dezember 2009 eine Einstweilige Verfügung gegen das Bitkom-Präsidium erwirkt. Der Beschluss des Landgerichts verbietet dem Bitkom bis auf weiteres, einen entsprechenden Vertrag mit den Verwertungsgesellschaften zu schließen.

Im Originaltext heißt es, dem Antragsgegner sei untersagt, "wie mit E-Mail vom 21.12.2009 angekündigt, den Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff UrhG für PCs und den Vergleich zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht für PCs gemäß § 54 Abs. 1 UrhG für die Jahre 2002 bis 2007 (Anlagenkonvulat 6) mit der Zentralstelle für private Überspielungsrechte ZPÜ, der VG Wort und der VG Bild-Kunst abzuschließen, solange keine erneute Abstimmung mit dem Arbeitskreis "Urheberrechtliche Abgaben" des Antragsgegners und eine erneute Beschlussfassung im Präsidium des Antragsgegners erfolgt ist."

Wie die juristischen Vertreter des Bitkom daraufhin mitteilten, werde der Verband – während das weitere Vorgehen in der Angelegenheit geklärt werden müsse – zumindest bis zum 25. Januar 2010 keinen Gesamtvertrag über die PC-Abgabe abschließen. Die sieben PC-Hersteller Acer, Fujitsu, Hewlett-Packard, IBM, Medion, Samsung und Sony hingegen hatten sich zum raschen Handeln berufen gefühlt und kurzerhand den Bundesverband Computerhersteller e.V. (BCH) gegründet, den die ZPÜ am 23. Dezember 2009 als legitimen Vertragspartner in der Sache begrüßte.

Nach § 12 des UrhWG (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz) sind die Verwertungsgesellschaften eigentlich dazu verpflichtet Gesamtverträge abzuschließen – es sei denn der Abschluss des Gesamtvertrages wäre unzumutbar, weil beispielsweise die Mitgliederzahl der als Verhandlungspartner auftretenden Vereinigung zu gering ist. Im vorliegenden Fall vertritt die ZPÜ aber offensichtlich den Standpunkt, dass die sieben Mitglieder des BCH eine ausreichend repräsentative Vertretung der deutschen PC-Hersteller und Importeure darstellen.

Wie Gaby Schilcher, Pressereferentin der ZPÜ, gegenüber heise resale erklärte, solle die mit dem BCH vereinbarte Urheberrechtsabgabe auf PCs – 13,65 Euro pro PC mit eingebautem Brenner, ansonsten 12,15 Euro – als Basis für einen allgemeinen Tarif dienen. Dieser werde jedoch rund 25 Prozent höher liegen – was einem Aufschlag in Höhe des Rabatts entspricht, den die ZPÜ dem BCH gewährt. Weiteren Herstellern und Importeuren stehe es frei, sich der BCH-Vereinbarung anzuschließen oder den "Standard-Tarif" zu wählen. Aus juristischer Sicht steht darüber hinaus aber auch immer noch der Weg über weitere Verhandlungen offen, die im Zweifelsfall in ein Schiedsverfahren münden oder sogar vor das OLG München beziehungsweise in letzter Instanz dem BGH enden könnten.

Die in der Vergangenheit so geschlossenen wirkende Front der Abgabengegner unter den im Bitkom organisierten PC-Herstellern und Importeuren zeigt unterdessen Auflösungserscheinungen. Während beispielsweise Asus mittlerweile dem BCH beigetreten ist, wirbt der Verband offen dafür, dass sich auch weitere Vertreter der Branche dem ausgehandelten Vergleich anschließen sollten. Eine Mitgliedschaft im BCH stehe "jedem PC-Hersteller und PC-Importeur bis zum 28. Februar 2010 offen".

Unter den Bitkom-Mitgliedern wächst die Zahl der Sympathisanten. Zwar gibt es nach wie vor insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Abgabe nachhaltige Bedenken, offiziell schließen sich aber einige Unternehmen schon heute der Ansicht des BCH an, dass die Branche "endlich die dringend benötigte Rechts- und Planungssicherheit erhalte", wie unter anderen Lenovo und Dell gegenüber heise resale durchblicken ließen.

An der Forderung nach einer grundsätzlichen Modernisierung des Urheberrechts und seiner Anpassung an das digitale Zeitalter rüttelt allerdings auch der BCH nicht. So gilt die jetzt getroffene Vereinbarung mit den Verwertungsgesellschaften ja auch nur bis zum Jahresende – der nächste Verhandlungsmarathon ist vorprogrammiert. Die Position der IT-Branche dürfte durch die jüngsten Zugeständnisse jedoch nachhaltig geschwächt worden sein.

Scharfe Kritiker des BCH-Vorstoßes wie etwa Brunen-IT-Chef Frank Brunen befürchten, dass der "exklusive" Club der "Großen" im Interesse kurzfristiger eigener Vorteile eine für die gesamte Branche vertretbare Einigung aufs Spiel gesetzt haben. Die Mitglieder des BCH könnten nun die in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Rückstellungen – die Brunen bei den betreffenden Firmen auf rund 30 Euro pro PC taxiert – abschreiben und die verbleibenden Gewinne positiv in ihre Bilanzen einfließen lassen. Allein für die beiden letzten Jahre dürfte dies insgesamt einen gut zweistelligen Millionenbetrag ausmachen. Auch die Entscheidung der ZPÜ, mit einer kleinen Vertretergruppe von sieben aus Hunderten ein Verhandlungsergebnis "festzuschreiben", könnte nach Ansicht der Kritiker "unerwünschten" Modellcharakter für künftige Verhandlungen in anderen Produktbereichen haben.

Verbraucher müssen unterdessen mittelfristig kaum höhere Preise befürchten. Während die Hersteller sich mittels Rücklagen schon in der Vergangenheit für die Abgabe gerüstet hatten, dürfte auch die aktuelle Preisgestaltung der Geräte dementsprechend kalkuliert sein. Im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten bei der Positionierung innerhalb des Wettbewerbsumfeldes werden die PC-Hersteller die Kosten für die Urheberrechtsabgabe aber dennoch weitestgehend dem Verbraucher aufbürden. Aus Sicht der Verwertungsgesellschaften ist es ja letztendlich der Endkunde, der die "gebührenpflichtigen Kopien" des urheberrechtlich geschützten Materials vornimmt und dafür zur Kasse gebeten werden soll. (map)