Pegasus-Spyware: Mexikanischer Spitzenbeamter ausspioniert

In Mexiko ist ein enger Verbündeter des Präsidenten mit Pegasus ausgespäht worden. Es ist der erste bestätigte Fall eines so hochrangigen Regierungsbeamten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen

(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
Inhaltsverzeichnis

Mexikos Staatssekretär für Menschenrechte, Alejandro Encinas, wurde mit der berüchtigten Spionagesoftware Pegasus ausgespät, als er Verfehlungen des mexikanischen Militärs untersuchte. Das hat die US-Tageszeitung New York Times herausgefunden und beruft sich dabei auf mehrere mit dem Fall vertraute Personen, sowie eine unabhängige forensische Analyse.

Mexiko wird immer wieder von Spionageskandalen erschüttert. Dies ist jedoch der erste bestätigte Fall, in dem ein so hochrangiges Mitglied der Regierung und enger Vertrauter des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador von Pegasus überwacht wurde. Laut dem New York Times-Bericht vom Montag ist der Fall "ein klares Zeichen dafür, wie freizügig die Überwachung in Mexiko geworden ist, wo niemand, nicht einmal die Verbündeten des Präsidenten, tabu zu sein scheint". Die Pegasus-Software des israelischen Herstellers NSO Group ist nur für Regierungsbehörden lizenziert. Und obwohl es keine definitiven Beweise gebe, welche Behörde Encinas ausspioniert habe, ist das Militär die einzige Einheit in Mexiko, die Zugang zu der Spionagesoftware hat, so der Bericht weiter.

Encinas liegt seit längerem mit den Streitkräften über Kreuz. Er und sein Team haben die Armee beschuldigt, an dem Verschwinden der 43 Lehramtsstudenten von Ayotzinapa verwickelt zu sein. eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in der jüngeren Geschichte des Landes. Das Geschehen ist auch nach Jahren weiter nicht aufgeklärt oder die Verantwortlichen wurden nie bestraft. Das Verbrechen beschäftigt die mexikanische Öffentlichkeit bis heute wie kaum ein anderes.

Laut New York Times wurde Encinas Mobiltelefon mehrfach infiziert – zuletzt im vergangenen Jahr, als er eine Wahrheitskommission der Regierung zu den Entführungen leitete. Die Hacker erhielten laut mehreren ungenannten Zeugen ungehinderten Zugang zu Encinas gesamten digitalen Aktivitäten. Darüber hinaus sollen die Telefone von zwei anderen Regierungsbeamten, die mit Encinas zusammenarbeiten und an Untersuchungen über Rechtsverletzungen durch die Streitkräfte beteiligt waren, mit Pegasus infiziert worden sein.

Der Einsatz von Pegasus in Mexiko geht auf das Jahr 2017 während der Amtszeit von Präsident Enrique Peña Nieto zurück. Regierungseinrichtungen nutzten die Malware zum Ausspähen von Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Korruptionsbekämpfern, wie einige Aktivistengruppen und Journalisten aufdeckten. Auch in der aktuellen Amtszeit des linken Präsidenten López Obrador sollen trotz gegenteiliger Behauptungen Aktivisten und Journalisten mit Pegasus ausgespäht worden sein.

Die Angriffe auf Encinas aber haben eine neue Qualität. "Wenn jemand, der dem Präsidenten so nahe steht wie Alejandro Encinas, ins Visier genommen wird, ist klar, dass es keine demokratische Kontrolle über das Spionagewerkzeug gibt", sagte Eduardo Bohorquez, der Direktor des mexikanischen Ablegers von Transparency International, einer Anti-Korruptionsgruppe der New York Times. Anfang des Jahres verlangte die mexikanische Datenschutzbehörde INAI vom Verteidigungsministerium die Offenlegung der Verträge um die Spionagesoftware Pegasus.

Der israelische Hersteller von Pegasus, die NSO Group, hat dem Vernehmen nach infolge der jüngsten Medienberichten über den Einsatz der Spionagesoftware durch das mexikanische Militär eine Untersuchung der Cyberangriffe in Mexiko eingeleitet. In einer Erklärung teilte die NSO Group mit, dass sie "alle glaubwürdigen Anschuldigungen des Missbrauchs untersucht", und fügte hinzu: "Frühere NSO-Untersuchungen haben zur Beendigung mehrerer Verträge über die missbräuchliche Nutzung unserer Technologien geführt."

Wenn Israels Verteidigungsministerium Lizenzen für den Verkauf von Pegasus an Regierungsbehörden erteilt, müssen diese Vereinbarungen unterzeichnen, dass das Überwachungsinstrument ausschließlich zur Bekämpfung schwerer Verbrechen oder des Terrorismus eingesetzt wird. Die NSO prüft nun, ob der Einsatz von Pegasus in Mexiko gegen diese Vereinbarung verstößt.

Die Pegasus-Spionagesoftware des Unternehmens ist jahrelang von Regierungen in aller Welt missbraucht worden, um politische Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten auszuspionieren. Neben Mexiko haben zahlreiche weitere Länder, wie Saudi-Arabien, Marokko oder die Vereinigten Arabischen Emirate die israelische Spyware zur politischen Überwachung genutzt. Das FBI hat Pegasus eigenen Angaben zufolge zu Forschungszwecken gekauft. Internen Dokumenten zufolge stand Pegasus beim FBI aber kurz vor dem Einsatz. Anfang November 2021 setzte das Weiße Haus NSO auf eine schwarze Liste des Handelsministeriums, erklärte das Unternehmen zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit und sandte die Botschaft, dass US-amerikanische Unternehmen keine Geschäfte mit ihm machen sollten. Über Scheinfirmen ist dieses Verbot wohl umgangen worden.

(akn)