"Der Herr der Ringe – Gollum" angespielt: Enttäuschendes Lizenz-Abenteuer​

Nach viel Aufregung und mehreren Verschiebungen enttäuscht "Der Herr der Ringe: Gollum" von Daedalic auf voller Linie. Auch die Technik ist eine Baustelle.

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(Bild: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Da kommt viel zusammen: ein ambitioniertes Studio mit großen Ideen, ein Publisher (Nacon), der ein Spiel ohne Rücksicht auf Marktreife veröffentlichen will und ein unausgegorenes Spieldesign, das weder dem Thema noch dem Genre spannende Ideen abgewinnen kann. Nur manchmal, wenn Spieler sehr wohlwollend beide Augen zudrücken, blitzt die ein oder andere Idee auf, die aus Daedalics Schleich-Abenteuer "Der Herr der Ringe: Gollum" einen Hit hätte machen können.

Gollum streunt nach dem Verlust seines geliebten Rings durch die Lande. Was vorher geschah, müssen sich die Spieler aus dem bekannten Kanon zusammenreimen. Auf der Flucht vor Orks landet er bei den Düsterwald-Elben, muss wieder ausbrechen und am Ende ein geheimes Ritual verhindern.

"Gollum" spielt im "Herr-der Ringe"-Universum J.R. R. Tolkien. Wer aber auf epische Schlachten, pathetische High-Fantasy oder zumindest Einblicke in die Psyche der vielleicht interessantesten Figur des Epos hofft, wird enttäuscht. Abgesehen von kurzen Gastauftritten bekannter Figuren hat "Gollum" mit "Herr der Ringe" nur den Namen und das Szenario gemein. Fiel dem Entwicklungsstudio, immerhin die Story-Experten von Daedalic, wirklich nichts Interessantes ein? Oder haben die nicht gerade zimperlichen Rechteinhaber der Middle-earth Enterprises allzu großen Story-Experimenten einen Riegel vorgeschoben? Das Ergebnis ist so oder so inhaltlich enttäuschend.

"Der Herr der Ringe: Gollum angespielt" (5 Bilder)

Unausgereift und aufgebläht: "Der Herr der Ringe: Gollum" kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. (Bild: heise online)

Spielerisch sieht es nicht viel besser aus: "Gollum" ist ein Genre-Mix aus Jump-and-Run und Schleichabenteuer. Der quirlige Ex-Hobbit hangelt sich an Wänden entlang, springt von Ast zu Ast oder kriecht durch enge Höhlen. Manchmal muss er sich auch vor seinen Jägern verbergen, in dem er sich in Gebüschen versteckt. Ganz selten steht er auch mal vor einem Rätsel: Dann muss er in einem Spiegel nach Hinweisen suchen oder ein Wandbild zusammensetzen. Einmal hat er sogar einen Gefährten, den er durch eine Höhle lenken muss.

Im Gegensatz zu anderen Genre-Vertretern verzichtet das Spiel auf typische Rollenspielelemente, weil ein Level-System nicht zur Figur passen würde. Das schränkt die spielerischen Möglichkeiten aber stark ein, weil Gollum von Anfang bis Ende des Spiels immer dieselben Dinge tut. Er kann klettern, mit einem Stein Wachen ablenken und wegrennen. Mit seinen Sinnen kann er durch Wände blicken. Das war es schon.

Interessanter wird es nur, wenn Gollum in einem Dialog-Minispiel mit seinem "guten" Alter Ego Sméagol herumstreitet. Der eine muss dann den anderen überzeugen, um seine Handlungen zu beeinflussen. Wie stark sich diese Sequenzen auf das Ende der Geschichte auswirken, konnten wir in unseren Spielstunden nicht testen.

In den ersten vier Kapiteln erfüllt Gollum mit Unterbrechungen hauptsächlich ein paar Fetch-Quests. Erst ab der Hälfte des Spiels geht die Handlung los. Wobei es schwerfällt, so etwas wie Dramatik zu erkennen – Gollum muss einen bösen Zauberer stoppen. Mehr nicht.

Nur manchmal zeigt das Spiel, was möglich gewesen wäre. Die Kletterpassagen erfordern im Gegensatz zu "Uncharted" und Co. tatsächlich Präzision und fiese Hindernisse müssen im richtigen Moment übersprungen werden. Dazu gibt es große Areale, in denen Gollum über Bäume und Seen den Ausgang erreichen muss. Die Flucht vor einer bekannten Riesenspinne bringt sogar etwas Spektakel in die Handlung. Schade, dass es danach kaum noch vergleichbare Momente gibt.

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Gleichzeitig haben wir uns auf dem PC von der ersten Minute an mit technischen Problemen herumgeschlagen. Die schwammige Steuerung und die ungenaue Kollisionsabfrage stammen aus den tiefsten Tiefen von Moria und rund ein Dutzend Mal ist uns das Spiel in der zehnstündigen Spielzeit abgestürzt. All das, obwohl das Spiel grafisch altbacken ist, relativ wenige Details zeigt und nur selten schöne, prächtige Bilder von Wäldern und Tempeln präsentiert. Laut Daedalic ist man sich der Probleme bewusst und arbeitet an Patches. Zum Start ist ein Day-1-Patch geplant. Zumindest können sich Fans auf einen stimmigen Soundtrack und gute deutsche Vertonung freuen.

"Der Herr der Ringe: Gollum" ist eine große Enttäuschung. Man bekommt den Eindruck, dass Daedalic das simple Spielprinzip unnötig aufgebläht hat und die Technik nicht im Griff hat. Alles an diesem Spiel wirkt unausgereift. Unverzeihlich auch, dass Daedalic die tolle Lizenz und die prominente Hauptfigur nicht ausreizt. Warum und wieso Gollum so wurde, wie er ist, werden wir auch diesmal nicht erfahren.

Dadurch wirkt "Gollum" trotz der unbestrittenen Mühen Daedalics wie ein typisches Lizenz-Spiel der alten Schule, als Spiele-Publisher für das schnelle Geld reihenweise erfolgreiche Marken zu halbgaren Videospielen verarbeiteten. Schade, dass es so gekommen ist.

"Der Herr der Ringe: Gollum" erscheint am 25. Mai für Windows, PS4/5, Xbox Series. USK ab 12. Es kostet ca. 50 €. Wir haben die Windows-Version durchgespielt.

(dahe)