Googles Ex-Chef: Künstliche Intelligenz könnte "viele, viele, viele Leute töten"

Eric Schmidt warnt vor furchtbaren Auswirkungen von KI – ein Echo eines von ihm mitgestalteten Berichts über KI und nationale Sicherheit der USA.

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Eric Schmidt an einem Mikrofon, unscharf im Hintergrund eine Frau und im Vordergrund ein Mann

Eric Schmidt 2019

(Bild: DoD/Amber Smith (gemeinfrei))

Lesezeit: 4 Min.

"Meine Sorge bei Künstlicher Intelligenz ist die existenzielle Bedrohung", meint Eric Schmidt. Der Amerikaner war von 2001 bis 2011 Google-CEO, dann bis 2017 geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrates Googles respektive Alphabets. "Wir verstehen die Auswirkungen nicht, die solch ein Niveau an Intelligenz mit sich bringt, das uns täglich, minütlich und stündlich, begleitet. Die Fähigkeit (von Künstlicher Intelligenz, KI), mit uns zu arbeiten, gab es noch nie", warnt der Doktor der Technischen Informatik.

Bei seinem Auftritt am Mittwoch auf einer Veranstaltung des Wall Street Journal in London erklärte Schmidt auch, was er unter existenzieller Bedrohung versteht: "Existenzielle Bedrohung ist definiert als Verletzung oder Tötung vieler, vieler, vieler, vieler, Menschen. Das ist die Definition."

"Und es gibt Szenarien – heute noch nicht, aber schon recht bald – in denen diese Systeme in der Lage sein werden, Zero-Day-Exploits und Maschinen oder neue Arten von Biologie zu finden", führte Schmidt weiter aus, "Klar, das ist heute Fiktion, aber die Schlussfolgerungen stimmen wahrscheinlich. Wenn das passiert, müssen wir sicherstellen, dass wir bereits sind, dass diese Dinge nicht von üblen Menschen missbraucht werden." (Zero Day bezeichnet bislang unbekannte Bugs in IT-Systemen, Anmerkung.)

Schmidt befasst sich mit dem Thema schon lange, und das nicht nur als Hobby. In seiner Funktion als Vorsitzender der National Security Commission on Artificial Intelligence (etwa Kommission über Künstliche Intelligenz und nationale Sicherheit) hat er gemeinsam mit 14 weiteren Experten 2021 einen umfangreichen Bericht verfasst. "Die Amerikaner haben noch nicht begriffen, wie grundlegend die KI-Revolution unsere Wirtschaft, nationale Sicherheit und Wohlfahrt beeinträchtigen wird", lautet der erste Satz des über 750 Seiten starken Dokuments.

Schon damals überbrachte Schmidt eine "unbequeme Nachricht": "Amerika ist nicht darauf vorbereitet, sich in der KI-Ära zu verteidigen oder kompetitiv zu sein." Andererseits enthält der Bericht eine "Strategie, uns gegen KI-Bedrohungen zu verteidigen, KI verantwortungsbewusst für nationale Sicherheit einzusetzen und den breiteten Technik-Wettbewerb zu gewinnen". Die Kommission hat dabei speziell China als Bedrohung ausgemacht, das Land wird in dem Dokument über 600-mal erwähnt, Russland nur gut 60-mal.

"Wir müssen den KI-Wettbewerb, der ein zunehmender strategischer Wettbewerb mit China ist, gewinnen. Chinas Pläne, Ressourcen und Fortschritt sollte alle Amerikaner interessieren. Es ist ebenbürtig in vielen KI-Gebieten und führend in manchen KI-Anwendungen. Wir nehmen Chinas Bestreben, die USA als der KI-Führer der Welt binnen eines Jahrzehnts zu überholen, ernst", schrieben Schmidt und sein Vizevorsitzender Bob Work in der Einleitung. Und: "Chinas Einsatz von KI im Inland ist ein erschreckender Präzedenzfall für jedermann in aller Welt, der individuelle Freiheit schätzt."

Die Zusammenfassung des Berichts gibt zu, dass es noch viel über KI und deren zukünftige Anwendungen zu erfahren gäbe. Doch seien die Experten zu zwei grundlegenden Überzeugungen gelangt: Erstens verändere KI die Welt. KI bringe die stärksten Werkzeuge in einer Menschengeneration und sei gleichzeitig "Dual Use", tauge also sowohl für zivile Zwecke als auch für Waffen.

Zweitens vergrößere KI die Verletzlichkeit der Vereinigten Staaten von Amerika: "Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ist Amerikas technische Vorherrschaft bedroht – das Rückgrat seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht." Nicht nur könnte China die USA bei KI überholen, KI verstärke auch die Bedrohungen durch IT-Angriffe und Desinformationskampagnen, "die Russland, China und andere nutzen, um unsere Gesellschaft zu infiltrieren, unsere Daten zu stehlen und sich in unsere Demokratie einzumischen."

Zwei Kapitel des Berichts widmen sich dann auch der Herausforderung, beim Einsatz von KI für Zwecke der nationalen Sicherheit der USA demokratische Werte wie Datenschutz und Bürgerrechte zu wahren (Seiten 141 ff und 395 ff).

(ds)