Netzausbau: 1&1 nicht nur bei 5G säumig

1&1 drohen Millionenstrafen, weil es 5G-Funkrechte erworben, aber noch kein Netz hat. Noch teurer könnte der Rückstand beim Mastenbau für Netzlücken werden​.

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Farbverändertes Negativ eines Mobilfunkmastes mit mehreren Antennen

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Bis zu 50 Millionen Euro Bußgeld drohen 1&1, weil es beim 5G-Netzausbau säumig ist. Doch könnte ein Vielfaches schlagartig fällig werden, weil 1&1 ein anderes Versprechen noch nicht erfüllt hat: Den Bau von Vorrichtungen für Mobilfunkantennen in unversorgten Gebieten, den berühmt-berüchtigten Weißen Flecken Deutschlands.

2018 hat 1&1 zugesagt, bei der Verbesserung der löchrigen Mobilfunkversorgung in Deutschland zu helfen. Das Unternehmen würde auf Wunsch der etablierten Mobilfunk-Netzbetreiber Sendestandorte in bislang unversorgten Gebieten erschließen; anschließend könnten Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone dort ihre eigenen Antennen installieren. Bis Ende 2021 sollten nach Mitteilung des damals zuständigen Ministers Andreas Scheuer (CSU) 400 neue Sendestandorte entstehen – vereinbart wurde allerdings eine Investitionssumme, keine exakte Zahl an Standorten. Eigene Antennen muss 1&1 dabei nicht installieren.

Die drei etablierten Netzbetreiber versprachen bei dem "Mobilfunkgipfel" im Juli 2018, die 4G-Mobilfunkversorgung bis Ende 2020 auf 99 Prozent aller Haushalte in jedem Bundesland zu heben (später auf 2021 verschoben). Im Gegenzug stundet die Bundesrepublik die Gebühren für die 2019 versteigerten 5G-Sendrechte zinsfrei – die Ratenzahlungen laufen bis 2030, was die Staatsschulden erhöht, also indirekt die Steuerzahler be- und die Konzerne entlastet.

Außerdem schafften sich die Netzbetreiber mit dem Scheuer-Deal drohende Konkurrenz vom Hals: Die Fachbehörden Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt wollten damals die Mobilfunk-Netzbetreiber dazu verpflichten, ihre Netze für Untermieter zu öffnen. Das sollte den Wettbewerb stärken und die hohen deutschen Tarife senken. Doch mit Scheuers politischer Hilfe wurde das zu einer Verhandlungspflicht verwässert: Die Netzbetreiber müssen Anfragen beantworten, die dabei verlangten Preise werden aber nicht reguliert. Damit schauen die Verbraucher durch die Finger.

Inzwischen ist deutlich, dass 1&1 auch eineinhalb Jahre nach Fristablauf weit von der Erfüllung des Versprechens entfernt ist. 2021 hieß es, 1&1 errichte in Üchtelhausen im bayrischen Landkreis Schweinfurt einen Sendemasten auf Bestellung der Deutschen Telekom. Das ist allerdings eine Ausnahmeerscheinung. Wie das Handelsblatt feststellt, hat 1&1 nur wenige Sendemasten übergeben. 32 sind laut Firmenangaben derzeit in Bau, bei 138 weiteren wartet 1&1 noch auf die Baugenehmigung. Damit steht 1&1 nicht alleine da: Alle Netzbetreiber klagen schon lange über die Dauer deutscher Baugenehmigungsverfahren, speziell wenn dann noch Bürgerinitiativen wie in Kleßen-Görne hartnäckig für ihr Funkloch kämpfen.

Von 400 Standorten ist bei 1&1 längst keine Rede mehr: Vereinbart sind nämlich gar nicht 400 neue Masten, sondern, wie erwähnt, eine Investitionssumme. 1&1 sei 2018 davon ausgegangen, vorwiegend Dächer bestehender Gebäude nutzen zu können, was dann 400 Standorte ermöglicht hätte. "Letztendlich wurde allerdings aufgrund der Standortwünsche von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica weit überwiegend der Bau von Funktürmen nötig", erklärte 1&1 dem Handelsblatt. Das ist teurer, weshalb die vereinbarte Summe nur noch für "circa 180" Standorte reiche.

Doch auch diese hätten ja schon Ende 2021 stehen sollen. Also greift das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ein – und verlängert die Frist. Das BMDV zeigt gegenüber dem Handelsblatt Verständnis für die Verzögerung: "Umfassende und zeitaufwändige Abstimmungen mit den anderen Netzbetreibern" hätten die Sache so ausgebremst, dass 1&1 die konkreten Standorte erst ab März 2021 hätte planen können. Und erst danach konnten die Baugenehmigungsverfahren beginnen. Auch wenn die etablierten Netzbetreiber das anders sehen, das Ministerium hat die aushaftenden 5G-Frequenzgebühren bislang nicht fällig gestellt. Das würde 1&1 auf einen Schlag mehr als 600 Millionen Euro kosten.

(ds)