Cebit

Nationale Computerindustrie soll "deutsche Cloud" entwickeln

Der Branchenverband Bitkom möchte mit einer "Software-Initiative" durch Kooperationen einheimischer IT-Firmen ein Gegengewicht zu den bisher im Wachstumsmarkt "Cloud Computing" aktiven US-Größen schaffen.

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Der Branchenverband Bitkom möchte mit Kooperationen einheimischer IT-Firmen ein Gegengewicht zu den bisher im Wachstumsmarkt "Cloud Computing" aktiven US-Größen schaffen. Dem Präsidenten der Lobbyvereinigung, August-Wilhelm Scheer, schwebt in diesem Sinne eine "deutsche Cloud" vor, wie er am Donnerstag in Berlin bei einem Pressegespräch erklärte. Die Entwicklung im Bereich des Abwanderns von Rechenkraft und Computerdienstleistungen ins Internet bereite ihm etwas Sorge aus nationaler Sicht, meinte der Gründer des Dienstleistungs- und Softwarehauses IDS Scheer. Bislang würden die dafür erforderlichen Infrastrukturen vor allem von Konzernen wie Google, Amazon, Hewlett Packard oder IBM vorangetrieben. Deutschland drohe ins Hintertreffen zu geraten, da höchstens T-Systems zu den ernst zu nehmenden Akteuren gezählt werden könne.

Einbetten will der Bitkom den Vorstoß in eine umfassende "Software-Initiative". An einer entsprechenden Strategie werde derzeit in Berlin gearbeitet, führte Scheer aus. Auch im Zusammenspiel mit der Politik sollen dabei Felder erarbeitet werden, "in denen wir Deutschland voranbringen können" in der digitalen Welt. Schwerpunkt solle dabei neben der Forschung, die oft schon gut aufgestellt sei, der brach liegende Produktionsbereich sein. Als Beispiel nannte der Verbandschef neben Cloud Computing den Sektor Embedded Systems. Hier könnten deutsche Forschungsinstitute und Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Endkunden abdecken. Um die "Querschnittsfunktionen" von Software für alle Industriebereiche stärker zu betonen, kann sich Scheer auch gut vorstellen, eine spezielle "Software-Universität" zu gründen.

Generell blickt der Unternehmer mit einer "Haltung zwischen Neid und Abscheu" derzeit auf asiatische Staaten wie China, Indien oder Singapur, für die "Industriepolitik" noch nicht zum Schimpfwort geworden sei. Dort stellten die Regierungen mehr Ressourcen für das Vorantreiben von IT-Großprojekten und Infrastrukturen zur Verfügung. Gepaart sei dieser Schub von oben mit einem "stärkeren unternehmerischen Impuls", als ihn Scheer momentan hierzulande ausmachen kann. Das Standort-Thema ist für ihn nach wie vor heiß: "Wir müssen eine vergleichbare Aufbruchsstimmung hinkriegen." Zugleich seien die vorhandenen Kräfte zu bündeln.

Cloud Computing selbst betrachtet Scheer als eines der Top-Themen der Branche. Es gehe dabei nicht nur um einen "nach vorne gespülten Begriff", sondern um die "Rückkehr des Großrechners in anderer Form". So würden IT-Ressourcen optimal zur Verfügung gestellt, was mit einem ganz anderen Organisationsprinzip in Verbindung stehe als der noch aktuelle Verkauf von Softwarelizenzen für einzelne PCs. Auch eine viel genauere Abrechnung von Computerdienstleistungen werde damit möglich. Auf die etablierten Softwarehäuser sieht Scheer so eine Durststrecke im Rahmen der Umstellung auf das neue Modell zukommen. Neueinsteiger könnten auf Basis der Cloud-Infrastrukturen dagegen sofort eigene Komponenten anbieten.

Auch die CeBIT Anfang März wird laut Scheer im Zeichen von Cloud Computing stehen. Die traditionelle Computermesse in Hannover sei für den Bitkom trotz des angemeldeten Verbesserungsbedarfs "strategisch gesetzt", betonte der Verbandspräsident: "Wir tun alles, um das Schaufenster der Branche zu erhalten." Er hoffe, noch mehr "Potenzial" für die Veranstaltung aktivieren zu können und eine einfachere Ansprache verschiedener Kundengruppen zu ermöglichen. Man müsse dabei aber beachten, dass der "Rechenstift bei den Ausstellern spitz geworden ist". Vergleiche mit anderen großen Messen dieser Art wie der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas lehnt der Bitkom ab: Dort würde selbst Standpersonal in die Besucherzahlen einberechnet, was seriöse Gegenüberstellungen nicht erlaube. (pmz)