Thomas Watson Jr.: Von der Tabelliermaschine zu IBMs System/360

Thomas Watson Jr. führte IBM aus der Welt der mechanischen Tabelliermaschinen in die Sphäre der Computer. Der Vater des Business Computing wurde vor 90 Jahren geboren.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 90 Jahren, am 8. Januar 1914, wurde Thomas Watson Jr. als ältester Sohn von Thomas Watson in Dayton, Ohio geboren. Just in diesem Jahr trat Watson Senior in die Hollerith-Firma CTR (Computer Tabulating Recording) ein, aus der er in der Folge IBM machen sollte. Während sein Vater mit IBM den Markt der Tabelliermaschinen dominierte und die von IBM produzierten Hollerith-Maschinen bei der Vorbereitung des Holocaust halfen, studierte Watson Jr. mehr schlecht als recht an der Brown University. Im Zweiten Weltkrieg ging der leidenschaftliche Pilot zur Air Force und flog als persönlicher Pilot des Luftwaffeninspektors Einsätze im Pazifik, in Asien und der UdSSR. Zu seinen Verdiensten zählte die Überführung von verliehenen Flugzeugflotten in die Sowjetunion und die Mitentwicklung von Flugsimulatoren für das Pilotentraining. Mit Kriegsende wollte Watson Jr. Flugkapitän bei United Airlines werden, ließ sich aber überreden, in die Firma seines Vaters zurückzukehren. Zu diesem Zeitpunkt fertigte IBM mechanische Tabelliermaschinen, die Entwicklung der ersten elektronischen Systeme stand ganz am Anfang.

Watson Jr. übernahm bald die Leitung der Entwicklungsabteilung, weil er überzeugt war, dass Tabelliermaschinen und Schreibmaschinen keine Zukunft hatten. Der entscheidende Durchbruch gelang ihm im Frühjahr 1953, als der ehemalige Flieger ein Projekt mit American Airlines abschließen konnte, das SABER getauft wurde, Semi-Automatic Business Environment Research. Hinter dem Akronym, das Marketing-Fachleute in das "schneller klingende" SABRE verdrehten, versteckt sich das erste computergesteuerte Reservierungssystem auf Grundlage eines IBM 7090, 16 Laufwerken und 1100 Buchungsplätzen auf der Basis einer IBM-Selectric-Schreibmaschine mit eingebauter DFÜ. Das 30 Millionen Dollar teure System ging im Dezember 1965 online, gestattete 2.100 Nachrichten pro Minute und erlaubte damit 40.000 Platzreservierungen und 20.000 Ticketverkäufe pro Tag.

Den nächsten Erfolg erzielte Watson Jr., der 1956 die Konzernleitung übernahm, mit dem System/360, für das er 5 Milliarden Dollar Enticklungskosten bereitstellte. Das System wurde im April 1964 angekündigt und erschien mit der Fertigstellung des Betriebssystems OS/360 im Juni 1967.

System/360 sicherte IBMs Vormachtstellung über ein ganzes Jahrzehnt und löste den Antitrustprozess gegen IBM aus, der am 17. Januar 1969 begann und dazu führte, dass sich Watson Jr. zum Unbundling entschloss: Erstmals wurden Betriebssystem und Hardware separat angeboten. Vom Prozess gestresst, erlitt Watson Jr. einen Herzinfarkt, der ihn zwang, 1971 die Leitung des Konzerns abzugeben. Er verblieb im Aufsichtsrat der IBM bis 1985, verabschiedete sich aber nicht ins Rentner-Dasein. Unter US-Präsident Carter war der überzeugte Demokrat von 1979 bis 1981 US-Botschafter in der UdSSR.

Thomas Watson Jr. starb in der Silvesternacht 1993 in Greenwich, Connecticut. Als größten Fehler seines Geschäftslebens bezeichnete er die Unvorsichtigkeit, Softwareprogramme für das System/360 ohne jeden Copyright-Schutz vertrieben zu haben. Dies führte dazu, dass clevere Programmierer wie Duane Whitlow sich undokumentierte Funktionen in der IBM-Software patentieren lassen konnten, darauf Softwarefirmen gründeten und IBM daran hinderten, den eigenen Code zu verbessern. (Detlef Borchers) / (jk)