Lob und Tadel für Pläne zum Jugendmedienschutz

Der Entwurf des neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrags löst ein geteiltes Echo aus. Die Internetwirtschaft warnt vor zu viel Kontrolle, Verbraucherschützern geht der Ansatz nicht weit genug.

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Von
  • Monika Ermert

Zugangsanbieter für Inhalte im Internet verantwortlich machen – diese Idee im Entwurf des neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) lehnen zahlreiche Verbände entschieden ab. Die Einführung solcher Regelungen für Zugangsanbieter und Plattformbetreiber steht für die Interessenvertreter beim Eco-Verband, beim Bitkom, bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) oder beim Arbeitskreis Zensur klar im Widerspruch zum Haftungsprivileg im Telemediengesetz (TMG) und zur E-Commerce-Richtlinie der EU. Abgesehen davon scheiden sich die Geister an der Beurteilung des neuen JMStV. Den einen, allen voran dem AK Zensur oder auch der 1&1 Internet AG, geht der Entwurf deutlich zu weit, den anderen, wie dem Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), geht er nicht weit genug.

Der VZBV drängt in seiner Stellungnahme (PDF-Datei) entschieden darauf, dass kommerzielle wie private Nutzer ihre Inhalte zwingend mit einer Alterskennzeichnung zu versehen haben, am besten auf der Einstiegsseite eines Angebotes. Man könne auch nicht einfach "eine Würstchenbude aufmachen" ohne sich Gedanken über Verkehrssicherheitspflichten rund herum zu machen, sagte eine Vertreterin des VZBV gegenüber heise online. Das im Entwurf vorgesehene Trennungsgebot für entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte sollte übrigens nicht auf unter 12-Jährige beschränkt sein, sondern sich vielmehr auf unter 18-Jährige erstrecken. Bemängelt wird von den Verbraucherschützern auch die Streichung der Altersgrenze unter 14 zugunsten eines Systems von unter sechs, unter 12, unter 16 und unter 18. Generell bedürfe der Jugendmedienschutz noch viel größerer Aufmerksamkeit, heißt es beim VZBV.

Die FSM, selbst Akteur im komplizierten Geflecht der so genannten regulierten Selbstregulierung, verweist bei den geplanten Altersklassifizierungen auf einen Widerspruch (PDF-Datei) zwischen Datenschutzregelungen und Jugendschutzbestimmungen. Anbieter von sozialen Netzwerken könnten wegen der notwendigen datenschutzrechtlichen Verarbeitungsklausel erst 14-Jährige auf ihr Portal lassen. Den neuen Plänen zufolge müssten sich soziale Netzwerke dann möglicherweise offiziell als "ab 16" deklarieren, was für sie eine Verschlechterung bringe.

Ablehnend äußerte sich die FSM auch zur Vorstellung, dass auch für "entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte ab 18" eine Altersverifikation vorgeschrieben werden soll. Hier muss der Jugendschutz enden, findet man bei der FSM. Grundsätzlich begrüßt die FSM im übrigen, dass der neue JMStV auch Selbstverpflichtungen von Social Network-Anbietern als Regelungsinstrument aufnimmt. Es müsse aber klargestellt werden, "dass es nicht zu einer Verpflichtung der aktiven Überprüfung von Drittinhalten durch die Anbieter kommt."

Die jetzige Fassung des neuen JMStV könnte "als Pflicht zur Implementierung technischer Filter interpretiert werden", warnte auch der IT-Branchenverband Bitkom (PDF-Datei). Die Experten der Providervereinigung Eco (PDF-Datei) erinnern daran, dass eine "proaktive Kenntnisnahme" der Nutzerinhalte "aufgrund eines Ausschlusses einer allgemeinen Überwachungspflicht gerade nicht zulässig" sei. Übrigens würde das laut Bitkom auch nicht den Ergebnissen der AG Web 2.0 des Runden Tischs von Bundesregierung und Verbänden entsprechen. Beim Eco-Verband befürchtet man übrigens auch erhebliche Probleme für Suchmaschinenanbieter, die alle Seiten, auf die sie verweisen und die "entwicklungsbeeinträchtigend" sein könnten, durch einen Jugendschutzfilter laufen lassen.

Das Internet braucht nicht mehr, sondern weniger Regulierung, kritisiert der AK-Zensur in seiner Stellungnahme. Wie Eco und Bitkom lehnen auch die Aktivisten eine Kontrolle der von Nutzern generierten Inhalte durch Plattformbetreiber oder gar eine Verpflichtung zu einem Rating aller Seiten ab. Wer soll die Millionen Beiträge der rund 4,5 Millionen Blogger Deutschlands nachträglich kennzeichnen, fragt der AK Zensur. "Wie soll ein privater Blogger entscheiden, ob sein neuer Beitrag für für Kinder ab 12 ab 16 oder erst für Erwachsene tauglich ist?" Diese Fragen zu beantworten dürfte auch den Rundfunkreferenten bei der Anhörung am Mittwoch in Mainz nicht leicht fallen. Der AK Zensur rät schließlich zur Prüfung, ob die strengen Jugendschutzregeln nicht eher die deutsche Erotikbranche vor ausländischer Konkurrenz als die Jugend schütze. (vbr)