Viele Änderungsanträge für britisches Gesetz zu Internetsperren

Mitglieder des britischen Oberhauses sehen Korrekturbedarf am Regierungsentwurf für ein "Digital Economy Bill". Wirtschaftsminister Peter Mandelson hat unterdessen Einzelheiten zu den geplanten Sanktionen vorgestellt.

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Mitglieder des britischen Oberhauses sehen umfangreichen Korrekturbedarf am Regierungsentwurf für ein "Digital Economy Bill" und haben einige Änderungsanträge ins "House of Lords" eingebracht. Sie wollen die rechtsstaatlichen Prüfungen vor einer Sperre des Internetzugangs nach wiederholten Copyright-Verletzungen gemäß dem Ansatz "Three Strikes" verbessern. Hauptsächlich geht es in den Anträgen darum, die Kontrolltätigkeiten der Regulierungsbehörde Ofcom zu stärken und direkte Befugnisse der Regierung einzuschränken.

Lord Lucas von den oppositionellen Konservativen fordert, dass auch Interessensvertreter der Nutzer mitreden können, wenn eingeschätzt werden soll, ob Strafen bei mehrfachen illegalen Download-Aktivitäten verhältnismäßig sind. Die Ofcom solle die Vereinbarkeit der Sanktionen mit den Grundrechten überprüfen und vorab ein faires und unparteiisches Verfahren garantieren. Der Regulierer müsse erst nachweisen, dass der Markt für legale Inhalteangebote im Internet "richtig funktioniert". Provider sollen für ihre Kosten entschädigt werden.

Lord de Mauley drängt darauf, dass die Ofcom bei jeder technischen Strafmaßnahme zunächst die praktische Durchführbarkeit durch die Zugangsanbieter und die wirtschaftlichen Auswirkungen abschätzt. Zudem solle der Regulierer aufzeigen, zu welchem Grad Urheberrechtsverstöße durch die Sanktionen eingedämmt würden.

Einigen Oberhausmitgliedern geht Paragraph 17 des Entwurfs zu weit, laut dem Regierungsmitglieder das Recht eingeräumt werden soll, auf dem Verordnungsweg das britische Urheberrecht zu ändern. Die geplante Bestimmung ist vor allem zur Verhinderung von Copyright-Verstößen im Internet gedacht. Hier soll die Regierung rasch auf bereits erfolgte oder absehbare "technische Entwicklungen" reagieren können. Die Lords Lucas, Razzal, Clement-Jones und Whitty setzen sich für die komplette Streichung der Klausel ein. Lord de Mauley plädiert dafür, alle ins Spiel gebrachten Sanktionen auf höchstens 12 Monate zu begrenzen.

Der federführende Wirtschaftsminister Peter Mandelson hat unterdessen dem Parlament mehrere Änderungsvorschläge vorgelegt, die nach Ansicht von Kritikern wie der Politik- und Rechtsexpertin Monica Horten das Gesetz aus Bürgerrechtsperspektive weiter verschärfen würden. So sieht ein Kompromiss des Labour-Politikers für Paragraph 17 vor, dass der Wirtschaftsminister vor dem Erlass einer Verordnung zur Anpassung des Copyright mögliche Betroffene und andere Interessensvertreter anhören soll.

Laut einem weiteren Änderungsantrag Mandelsons sollen die "technischen Maßnahmen" gegen mehrfach gewarnte Rechtsverletzer nicht mehr nur gegen "einzelne" Kunden eines Providers gerichtet werden, sondern gegen "einige oder alle relevanten". Horten befürchtet hier, dass sich daraus eine allgemeine Pflicht zum Filtern des Internetverkehrs durch die Zugangsanbieter ergeben könnte. Als Sanktionen sind die Herabsetzung der Verbindungsgeschwindigkeit und der Bandbreite, die Einschränkung des Zugriffs auf spezielle Materialien oder Dienste sowie die zeitweilige Kappung des gesamten Internetzugangs vorgesehen.

Im Einzelnen sollen Rechteinhaber vermeintliche Urheberrechtsverstöße in Form eines formellen "Copyright Infringement Report" zusammen mit Beweismaterial innerhalb eines noch nicht festgesetzten Zeitrahmens an die entsprechenden Provider senden. Sie müssen dabei nachweisen, dass eigene Inhalte illegal kopiert worden sind. Dies sieht eine mittlerweile veröffentlichte Anleitung (PDF-Datei) zur Anwendung und Umsetzung der Strafen vor. Der Zugangsanbieter muss drei Warnhinweise an den betroffenen Nutzer schicken. Das Verfahren soll von der Ofcom überwacht werden.

Dem angeschriebenen Kunden wird laut dem Ausführungspapier nur im Nachhinein die Möglichkeit eröffnet, sich gegen mögliche Sanktionen zu wehren. Eine vorherige Anhörung in einem ordentlichen Verfahren ist nicht vorgesehen, was den Schutzklauseln im novellierten EU-Telekommunikationspaket zuwiderlaufen könnte.

Unklar ist, inwiefern ein verdächtigter Nutzer selbst Nachweise für seine Unschuld etwa durch die Vorlage von Logdateien seines Rechners erbringen müsste. Einzelne Mitglieder des Oberhauses bezweifelten bei den ersten Aussprachen zu dem Vorhaben, dass durchschnittliche Computeranwender auf detaillierte Verbindungsdaten zugreifen könnten. Sollte die Ofcom dafür einen Hilfsservice anbieten, warnen Beobachter vor Datenschutzverletzungen. Allgemein monieren Bürgerrechtsgruppen, dass mit dem Gesetz traditionelle straf- und zivilrechtliche Standards unterlaufen würden. Sie beklagen weiter, dass Aspekte, die vom Parlament klar vorgegeben werden müssten, auf den Verordnungsweg verschoben werden sollen. (anw)