Digital, Life, Design: Technologie kann alles lösen

In einem bewegenden Appell forderte Nobelpreisträger Muhamad Yunus seine Zuhörer auf, neue Technologien sinnvoll einzusetzen: "Die Macht der Technologie kann jede Hürde überwinden, wenn sie im Dienste der Menschen und nicht des Profits steht." Der letzte Tag der Konferenz DLD gehörte aber auch den Investoren, die Einblick in ihre Pläne gaben.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit einem bewegenden Appell des Nobelpreisträgers Muhamad Yunus endete die Konferenz Digital, Life, Design (DLD). Er forderte die Zuhörer auf, die neuen Technologien sinnvoll einzusetzen und illustrierte dies mit Beispielen aus Bangladesch. Der letzte Tag gehörte auch den Investoren, die Einblick in ihre Pläne gaben. Und Google, Gegenstand zahlreicher Diskussionen, schenkte jedem Teilnehmer ein Nexus-Smartphone.

Breeder, Seeder, Greeder: Diese drei Spielarten in der Welt der Risikokapitalisten (Venture Capitalists, VC) gehören seit den Anfängen des DLD zur Ausstattung der von Hubert Burda Media veranstalteten Konferenz, genau wie Künstler und Visionäre. Die Firmen, die junge Startups begleiten (Breeder), die in die Internationalisierung oder den Verkauf etablierter Startups investieren (Seeder) oder schlicht mit schnellen gebastelten Kopien von Trendsettern aufs große Geld hoffen (Greeder), waren reichlich vertreten. Für all diese VC-Varianten wird die Luft dünn, erklärte Jim Breyer von Accell-KKR: In fünf Jahre wird seiner Einschätzung nach die Hälfte der VC-Industrie nicht mehr existieren. Open Source und die günstigen Angebote des Cloud Computing seien für diesen Aderlass verantwortlich.

Als heißen Investment-Trend nannte Breyer das Thema "Social Commerce", den Verkauf von Waren basierend auf Empfehlungen in sozialen Netzwerken. Als Beispiel führte Breyer die (in Deutschland gescheiterte) Supermarktkette Wal-Mart an, die in ihren Läden im großen Stil Netbooks installieren will, damit Kunden sich auf Facebook in ihren "Communities" Rat holen, wenn sie sich beim Einkaufen nicht entscheiden können. So kommt zusammen, was zusammen gehört: Breyer sitzt im Aufsichtsrat von Wal-Mart, sein VC-Unternehmen Accell ist wichtigster Investor bei Facebook. Noch drastischer äußerte sich später Nikesh Arora, der Marketing-Chef von Google zur Zukunft. Der ehemalige Spitzenmanager von T-Mobile verkündete nichts weniger als das Ende der klassischen Werbung: "Die Werber der Zukunft kaufen keine Anzeigenflächen oder Sendezeit in Funk und Fernsehen mehr. Sie kaufen direkt die Aufmerksamkeit von Konsumentengruppen in sozialen Netzwerken."

Schon wieder Google? Wer die Geschichte des DLD verfolgt, kommt nicht um Marissa Mayer herum, die auf der Konferenz im Jahre 2006 in bemerkenswerter Offenheit die Pläne von Google zum Google-Phone enthüllte: Sie skizzierte ein multimediales Telefon für Analphabeten, das Spracheingaben in Google-Anwendungen umsetzen kann. Nun ist das Nexus One da – und wurde von Google nach dem Abschiedssong von Donovan an alle Teilnehmer der Konferenz verschenkt.

Zuvor hatte der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Lobrede auf den technologischen Fortschritt gehalten. Yunus half mit der Grameen Bank, die Mikrokredite für die Ärmsten vergibt, vielen Menschen in Asien, sich eine Existenz aufzubauen. Mit der Telefongesellschaft Grameen Phone wiederholte er den Erfolg. Sie ist mittlerweile die größte in Bangladesh und ermöglicht in vielen Orten den "Telephone Ladies" eine auskömmliche Existienz. Über die Mobiltelefone läuft mittlerweile ein eigener Gesundheitsdienst names Bangladesh Telemedicine Service (BTS) im chronisch unterversorgten Land: "Die Macht der Technologie kann jede Hürde überwinden", predigte Yunus dem DLD-Publikum, schränkte aber ein "wenn sie im Dienste der Menschen und nicht des Profits steht". Yunus erwähnte auch das OLPC-Projekt, das mittlerweile an der dritten Rechnergeneration arbeitet, aber seiner Auffassung nach zu technisch orientiert ist und obendrein zu wenig Arbeitsplätze für die Ärmsten schafft.

Über die drei Tage hinweg schaffte es die DLD, der angereisten Finanz- und Netzelite ein bemerkenswert freundliches und optimistisches Bild von Deutschland zu vermitteln. Das lag auch an den Projekten, die in München vorgestellt wurden. Auf großes Interesse stieß das Ulmer Mietwagenprojekt Car2Go. Auch die Hybridbrief-Pläne der Deutschen Post fanden Beifall, weil Post-CIO Johannes Helbig sie als Einstieg in das Micropayment für den Online-Content von Verlegern präsentierte: Sie will ausgedruckte Artikel in Hochglanzqualität frei Haus liefern. Eher befremdlich deutsch erschien den ausländischen Teilnehmern schon eine Debatte über Informavoren. Der Begriff steht für die Gefahr, dass das menschliche Denken durch die maschinell produzierten Resultate von Suchmaschinen verformt wird, dass solche Informationsfresser menschliche Entscheidungen übernehmen. Die Teilnehmer der Debatte stellten Thesen vor, die sich nur in Nuancen voneinander unterschieden. Die von dem Journalisten Frank Schirrmacher in einem Leitartikel aufgestellte Forderung, dass die Informatiker eine neue, zentrale Rolle beim Kampf gegen die Informavoren einnehmen müssen, wurde nicht diskutiert.

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(jk)