Kanther will "legales Abhören"

Das Multimedia-Gesetz ist noch nicht verabschiedet, da denkt Bundesinnenminister Kanther (CDU) schon einen Schritt weiter: Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern forderten eine Regelung, die "verbindlich den Gebrauch von solchen Systemen vorschreibt,

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Von
  • Nico Ernst
  • Norbert Luckhardt

Das Multimedia-Gesetz ist noch nicht verabschiedet, da denkt Bundesinnenminister Kanther (CDU) schon einen Schritt weiter: Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern forderten eine Regelung, die "verbindlich den Gebrauch von solchen Systemen vorschreibt, bei denen das legale Abhören möglich ist. Ich halte das für berechtigt", sagte Kanther am Montag in Bonn beim Sicherheitskongreß des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Kanther verwies auf die Gefahr, daß auch "das klassische Telefongespräch" verschlüsselt übertragen würde. Das hätte zur Folge, daß die Befugnisse von Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden praktisch ins Leere liefen. Der Gesetzgeber dürfe "nicht in vermeintlich liberalen Ecken schmoren", sagte der Minister, ohne den Koalitionspartner FDP namentlich zu erwähnen. Vor dem Bundestag hatte sich Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig gegen eine Beschränkung von Verschlüsselungsverfahren ausgesprochen. Sein Fraktionskollege Karl-Hans Laermann hatte sogar für die FDP-Abgeordneten verbindlich erklärt, sie würden eine solche Regelung nicht mittragen.

Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss übte heftige Kritik an Kanthers Ankündigung. Damit werde klar, daß die Bundesregierung beabsichtige, "mit einer restriktiven Regulierung des Einsatzes von Verschlüsselungstechnik die Grundlagen jeglicher Datensicherheit in Deutschland zu zerstören und die Anwender sicherer Kryptoprodukte in die Nähe von Kriminellen zu rücken". Damit werde die Zukunftsbranche IT-Sicherheit akut gefährdet.

Offenbar versucht Kanther mit dem Verweis auf verschlüsselte Telefonate ein Debakel wie bei der Einführung des digitalen Mobilfunks zu verhindern: Erst 1995 hatten die Behörden nach zweijährigem Handy-Boom festgestellt, daß D1 und D2-Gespräche nicht unmittelbar abzuhören sind. Die Netzbetreiber Telekom und Mannesmann Mobilfunk mußten die geforderten Zugänge nachrüsten, was Kosten in Millionenhöhe nach sich zog.

Kanthers Vorstoß erinnert zudem stark an den vor drei Jahren in den USA propagierten Clipper-Chip: Der Verschlüsselungs-Baustein sollte von Modem bis Netzwerkkarte in sämtliche Kommunikations-Hardware eingebaut werden, und den Behörden einen Generalschlüssel offenhalten. Bevor das Produkt jedoch marktreif wurde, war die Verschlüsselung schon geknackt. Wie Kanther den Einblick auf Soft- und Hardware-Seite realisieren will, wußte seine Pressestelle auf Anfrage auch noch nicht zu erklären. Nico Ernst (nl)