"WarGames": Vor 40 Jahren erscheint der erste Hacker-Film​

Am 3. Juni 1983 startet "WarGames" in den amerikanischen Kinos. Der Film gibt zum ersten Mal Einblicke in die Hackerkultur – und ist immer noch aktuell.​

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(Bild: MGM / 20th Century Fox)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

In Listen der besten Hackerfilme steht "WarGames" regelmäßig an erster Stelle. Zugleich ist er neben "Tron" der Klassiker unter den Streifen über Computerspiele. Wie kein anderer Film der Achtzigerjahre begeistert er Jugendliche für Computertechnik, zeigt die Möglichkeiten der DFÜ. Zu einer Zeit, als Heimcomputer immer populärer werden. Am 3. Juni 1983 kam "WarGames" in die US-Kinos, der Film wird 40 Jahre alt.

Wenn David seiner Mitschülerin Jennifer mit wenigen Sätzen erläutert, wie er in fremde Computer eindringt, hängen auch Millionen von Zuschauern im Kino an seinen Lippen. Zum ersten Mal sehen sie, wie sich jemand per Telefon und Akustikkoppler in einen entfernten Computer einwählt, um zu chatten, um Informationen zu erhalten, um zu spielen. Genau genommen nimmt das die dritte Folge der TV-Serie "Simon & Simon" vorweg, in Deutschland wird sie allerdings erst 1986 ausgestrahlt.

Nebenbei zeigt "WarGames" eindrucksvoll den praktischen Nutzen dieses Wissens: David dringt in den Schulcomputer ein, um seine Noten zu verbessern. Um an das nötige Passwort ("pencil") zu gelangen, provoziert er Aussprachen mit dem Direktor, in dessen Vorzimmer das regelmäßig geänderte Kennwort notiert wird.

Als er auf eine Werbung der neuen Computer-Firma Protovision stößt, versucht er, an ihre noch unveröffentlichten Spiele zu gelangen: Er lässt sich von der Auskunft die Vorwahlen der Stadt geben, von Sunnyvale. Sein Computer ruft nun sämtliche Nummern an, um zu filtern, bei welchem Anschluss ein anderer Computer antwortet. Wardialing, eine Technik, die durch den Film populär und durch das spätere C64-Programm War Games Autodialer nutzbar wird. Dank eines manipulierten Nebenanschlusses fallen für die vielen Ferngespräche keine Gebühren an.

Als David den vermeintlichen Computer von Protovision gefunden hat, kann er zwar eine Liste mit Spielen abrufen. Aber der Zugriff bleibt ihm mangels Kennung verwehrt. Zwei befreundete Experten an der Uni helfen ihm weiter: In Systemen würde der Erfinder oft eine Hintertür verstecken, um mit einem einfachen Passwort später wieder hineinzulangen, und der Spielname "Falken's Maze" sei ein Hinweis auf den Entwickler. David findet heraus, dass sich dahinter Dr. Stephen Falken verbirgt, der sich bis zu seinem (wie sich später herausstellt: vorgetäuschten) Tod vor allem damit beschäftigt, wie Computer immer besser Spiele wie Schach bewältigen und dabei aus ihren Fehlern lernen. Wie sie lernen, zu lernen. Und David findet das Passwort heraus: "joshua", nach Falkens im Alter von fünf Jahren verstorbenen Sohn.

Allerdings führt die Telefonnummer gar nicht zu Protovision, sondern zu einem WOPR genannten Militär-Computer der Luftverteidigung NORAD. Der ist ein Meister im Austüfteln und Analysieren von Angriffsszenarien, weiß aber nicht, wann es besser ist, aufzugeben. Und da er nicht zwischen Simulation und Realität unterscheidet, will er das Spiel "Global Thermonuclear War" in der Wirklichkeit gewinnen, das David und Jennifer auf der Seite der Sowjets von zu Hause aus starten.

Im letzten Moment kommt den Helden die entscheidende Eingebung: Indem sie "Joshua" Tic-Tac-Toe spielen lassen, das normalerweise zu einem Unentschieden führt, lernt der Computer, dass manche Spiele nicht gewonnen werden können. Er realisiert, dass es auch bei einem Atomkrieg keinen Gewinner gibt, egal, wer ihn beginnt und wie er geführt wird – und zündet die Raketen nicht: "Ein seltsames Spiel. Der einzig gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen."

Die ernste Thematik von "WarGames" hat ihre Relevanz nicht verloren.

(Bild: MGM / 20th Century Fox)

Erstaunlich wie erschreckend: Alle Themen aus "WarGames" sind 40 Jahre später noch aktuell. Noch immer gibt es Passwörter und Wege werden, sie zu ergaunern. Die Angst vor einem Einsatz von Atomraketen bleibt. Szenarien werden von Computern durchgespielt. Eine weitere wichtige Überlegung: Auch wenn bei einem atomaren Angriff nur wenige Minuten Zeit für eine Reaktion bleiben – kann man es einer Maschine überlassen, den roten Knopf zu drücken? Der Film ist noch ganz frisch, als im September 1983 eine Software in der Sowjetunion Sonnenaufgang und Wolken-Spiegelungen als Raketen-Angriff interpretiert – und nur ein besonnener Offizier einen Gegenangriff verhindert.

Ursprünglich soll es aber gar nicht um Computer und Atomraketen gehen. Die Drehbuch-Autoren sind fasziniert von Stephen Hawking, ihnen schwebt unter dem Arbeitstitel "The Genius" ein Film über eine solche Koryphäe vor, die einem hochbegabten Schüler aus Schwierigkeiten hilft. Für den Darsteller planen sie mit John Lennon (der zum Zeitpunkt der Ideenfindung noch lebt). Einblicke in die Welt der Hacker und eine Reportage im Harper's Magazine über den unterirdischen Militär-Computer von NORAD stoßen das Skript in eine plausible Richtung.

Regisseur Martin Brest legt den Film sehr düster an, womit das Studio nicht zurechtkommt. Die Dreharbeiten laufen bereits, als er vom Projekt abgezogen wird und John Badham einspringen muss, der noch an "Blue Thunder" feilt. Badham macht aus einem depressiven Hauptdarsteller einen pfiffigen und erweitert die Rolle von Jennifer stark: Sie kommt ursprünglich in der zweiten Hälfte gar nicht vor.

Unterstützt wird die neue Tonalität durch den flippigen Synthesizer-Sound von Arthur B. Rubinstein (der bereits "Blue Thunder" komponiert). Ein Meisterwerk ist das riesige Set mit unzähligen Monitoren, das die Kommandozentrale von NORAD darstellen soll. Der Film handelt zwar überwiegend in Seattle, doch gedreht wird er an der Ost- und der Westküste.

"WarGames" hat nicht nur großen Einfluss, sondern ist auch ein wirtschaftlicher Erfolg. Er spielt mehr als 100 Millionen Dollar ein, landet in den USA er auf Platz 5 der erfolgreichsten Filme des Jahres – sogar vor James Bond. Dazu wird er für drei Oscars (Drehbuch, Kamera, Sound) nominiert. Nach Westdeutschland kommt er erst im Oktober, hier reicht es in den Charts nur für Platz 22.

Für Matthew Broderick ist es die erste große Rolle, der viele folgen werden, vor allem "Ferris macht blau" drei Jahre später. Dort bricht er erneut in den Schulcomputer ein. Ally Sheedy spielt danach unter anderem in "The Breakfast Club" mit; 1986 gibt ihr John Badham die Hauptrolle in "Nummer 5 lebt". Den Drehbuch-Autoren Lawrence Lasker und Walter F. Parkes gelingt ein Jahrzehnt nach "WarGames" ein weiterer kultiger Hackerfilm: "Sneakers – Die Lautlosen" mit Robert Redford.

(dahe)