Bundestag streitet über Telekommunikations-Regulierung

Im Parlament zeichnete sich bei der 1. Lesung des Telekommunikationsgesetzes ein Konsens gegen eine pauschale Speicherung der Telekommunikationsdaten ab.

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Im Bundestag hat sich bei der 1. Lesung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) am heutigen Donnerstag ein Konsens aller Fraktionen gegen eine pauschale Überwachung und Kriminalisierung der Nutzer abgezeichnet. Die Forderung des Bundesrats, alle bei der Erbringung von TK-Diensten anfallenden Daten sechs Monate auf Vorrat bei den Anbietern zu speichern, stieß bei Rednern aller Parteien auf starke Bedenken. Die CDU/CSU-Fraktion, die einen gesonderten Antrag zum TKG in den Bundestag einbrachte, und die FDP stellten dabei die zu erwartende Kostenbelastung für die Telekommunikationsfirmen in den Vordergrund. Vertreter der SPD, der Grünen und der PDS führten zudem datenschutzrechtliche Gründe gegen die verdachtslose Beschnüffelung der Bürger ins Feld. Wirtschaftsverbände begrüßten in ersten Stellungsnahmen die ablehnende Haltung der Abgeordneten.

Hubertus Heil, Sprecher für Telekommunikationspolitik der SPD, warnte etwa vor einer "zu großen Bürde für die Branche" durch die Verpflichtung zum Sammeln der immensen Datenmassen, die "in Abwägung mit den Anforderungen der Inneren Sicherheit unverhältnismäßig" sei. Der Geschäftsführer des Branchenverbands Bitkom hatte im Vorfeld der Lesung das Verhältnis bildlich beschrieben: Die geforderten Daten würden ausgedruckt und abgeheftet 1500 Kilometer Ordner ergeben -- von denen für die Sicherheitsbehörden am Ende aber vielleicht fünf Meter relevant seien. Die PDS-Abgeordnete Petra Pau erinnerte an das 20-jährige Jubiläum des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts. Der vorliegende Gesetzesentwurf und die Stellungnahme des Bundesrats spreche dieser Stärkung der informationellen Selbstbestimmung Hohn. Letztlich die gesamte Bevölkerung solle durch die Überwachungsforderungen "wie potenzielle Verbrecher" behandelt werden. Auch das Ansinnen von Bund und Ländern, per TKG eine Identifikationspflicht für die Nutzung eines Prepaid-Handys einzuführen, entspreche einer "Datenspeicherung ohne Verdacht auf Vorrat".

Weitere Bedenken gegen den momentanen TKG-Entwurf hatte die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, bereits am gestrigen Mittwoch vorgebracht: So räume Paragraph 95 mit der kundenfreundlichen Regelung auf, dass nicht automatisch alle Zielnummern ungekürzt gespeichert würden. Jegliche Form der Vorratsdatenspeicherung für Auskunftsersuche der Sicherheitsbehörden sei strikt abzulehnen. Ihr Kollege bei der SPD, Jörg Tauss, plädiert zudem seit längerem dafür, den Überwachungs- und Datenschutzteil komplett aus dem TKG auszuklammern und im Rahmen der weiteren Novellierung des Datenschutzrechts gesondert zu behandeln.

In ihrer Gegenäußerung zu den Wünschen des Bundesrats hat sich die Bundesregierung noch nicht zu der auch von Datenschützern und Organisationen wie Stop1984 oder "Bürgerrechte in der Telekommunikation" abgelehnten Speicherverpflichtung sämtlicher "Verkehrsdaten" konkret geäußert. Man werde "die Vorschläge im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens prüfen", heißt es dort schwammig. Größtenteils abgelehnt werden dagegen die Forderungen der Länder, mit denen diese die Deutsche Telekom härter regulieren wollen. Zusätzliche Antragsrechte auf Missbrauchsverfahren gegen den Platzhirschen auf dem Telekommunikationsmarkt "bergen die Gefahr, dass die Regulierungsbehörde sich formal mit einer großen Anzahl 'unbegründeter' Anträge befassen müsste", schmetterte die Regierung etwa eine alte Forderung der Wettbewerber aus Angst vor zuviel Bürokratie ab.

Die meisten Bundestagsfraktionen wollen mehr Rechte für die Telekom-Konkurrenten dagegen nicht ausschließen. "Die vorgeschlagenen Regelungen zum Zugang zu den Vorleistungsprodukten, die Entgeltregulierung und das Resale" seien unter Wettbewerbsaspekten noch zu "diskutieren", hielt sich etwa Heil alle Türen offen. Beim Thema Inkasso und Mahnung hofft er auf "einvernehmliche Lösungen" von Wettbewerbern und Telekom. Was dem Wachstum und der Innovationskraft der gesamten Branche, an die sich gerade die Sprecher der großen Parteien immer wieder klammerten, tatsächlich dienlich ist, werden die Parlamentarier in den kommenden Wochen nun unter der Führung des Wirtschaftsausschusses zu klären versuchen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) verlieh im Bundestag trotz der vielen Streitfragen der Hoffnung Ausdruck, dass das laut den zu Grunde liegenden EU-Richtlinien längst verspätete Gesetz "vielleicht noch vor der Sommerpause" verabschiedet wird. Eine Anhörung ist am 9. Februar geplant. (Stefan Krempl) / (jk)