IPv6: Gewinner verzweifelt gesucht

Gleich mehrere Regierungen wollen eine führende Rolle beim Umstieg auf das neue Internet-Protokoll IPv6 anstreben.

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Von
  • Monika Ermert

Gleich mehrere Regierungen wollen eine führende Rolle beim Umstieg auf das neue Internet-Protokoll IPv6 anstreben. Bei einer zweitägigen Konferenz anlässlich des Startschusses für ein globales v6-Forschungsnetz sagte der irische Minister des Department of Communications, John Browne: "Wir sind dabei, wenn es darum geht, Europa hier in eine Spitzenposition zu bringen." Er kündigte an, dass weitere IPv6-Projekte Thema beim ersten Treffen des EU-Telekommunikationsrates unter irischer Präsidentschaft im Juni sein werden. Was die Zahl der Delegationen von IPv6-Blöcken angeht, liegt Europa derzeit nach Aussage von Latif Ladid, Chef des IPv6-Forums und der europäischen IPv6 Task Force mit 57 Prozent ganz vorn. Das sei eine Trendumkehr im Vergleich zu der Verteilung von v4-Adressen, bei denen die USA Spitzenreiter ist.

Den Anspruch auf die Führungsrolle erhoben in Brüssel aber auch Vertreter aus Korea und Japan. Die Breitbandnation Korea hat als jüngstes einer Reihe von v6-spezifischen Projekten "KOREAv6" aus dem Boden gestampft und will sich nach Aussagen von Kwanbok Jo vom koreanischen Ministry of Information and Communication (MIC) unter anderem auch um eine Führungsrolle bei der Entwicklung IPv6-fähiger Produkte bemühen. Sein japanischer Kollege Takuya Miyoshi vom Ministry of Public Management, Home Affairs, Posts and Telecommunications (MPHPT) wiederholte gleich dreimal, dass Japan sich das Ziel gesetzt habe, die führende IT-Nation generell zu werden.

Beide asiatische Regierungen investieren kräftig in die Aufrüstung der Infrastrukturen und bieten Steuerermäßigungen, Japans Regierung auch zinsgünstige Kredite für Provider an, die auf Ipv6 umstellen. Solche Anreize gibt es in Europa bislang nicht. Das Schweizer Standardisierungsgremium E-Ch kündigte parallel zur Brüsseler v6-Konferenz an, v6-Fähigkeit für Anschaffungen der öffentlichen Hand in den "Standard Architectures for Government Applications" aufzunehmen. Die Schweiz müsse den v6-Ausbau vorantreiben, sagte ein Schweizer Experte. Auch die Militärs gelten spätestens seit der Investitionsankündigung des US-Verteidigungsministeriums als "Early Adopter" für die neuen Adressen.

Als nächsten Schritt für Asien kündigte Miyoshi eine engere Zusammenarbeit zwischen den v6-Tigern Japan, Korea und China an. Demnächst werde es dazu einen hochrangigen Gipfel geben, so Miyoshi. Asien darf sich vorerst zweifellos als führend bei der Markteinführung von v6 betrachten. NTT war der erste große Provider, der Ipv6 kommerziell ins Programm genommen hat. Als erster großer europäischer Provider will die spanische Telefonica bald v6 für Geschäftskunden anbieten. Wie zaghaft Europas große Carrier die Einführung angehen, zeigte aber auch das Update einer Pressemitteilung von France Telecom. Das Versprechen, dass man das ganze IP-Netz noch 2004 v6-fit machen möchte, zog das Unternehmen in Brüssel zurück und sprach lieber erst einmal von einer "proaktiven Beteiligung an der Einführung von v6".

"Viele große Operator nutzen selbst die Möglichkeiten von IP noch nicht vollständig," sagte Bosco E. Fernandes, Vertreter des UMTS Forums aus dem Hause Siemens. Auch auf die Frage nach der Refinanzierung der notwendigen Investitionen durch Killerapplikationen sähen die Carrier ganz offenbar noch nicht ausreichend beantwortet. Zentrale Aufgabe der verschiedenen v6-engagierten Gremien sei es daher, die Vorzüge und Möglichkeiten des neuen Protokolls zu propagieren. In diesem Punkt habe man bisher offensichtlich versagt, sagte João da Silva, IPv6-Experte der Europäischen Kommission. Nokias CTO Pertti Korhonen, der v6 als kommende Plattform für die Integration verschiedenster Dienste bezeichnete, warnte die Carrier seinerseits davor, auf Killerapplikationen zu warten. Diese könnten sich erst entwickeln, wenn die Infrastruktur da sei. Seine persönliche Idee für eine v6-Applikation: eine gemeinsame Agenda für die Familie, auf der Termine jeweils auf dem Device jedes Familienmitglieds blockiert werden. Wenn die v6-Killerapplikation da ist, tut man als Anbieter gut daran, up to date zu sein, sagen die v6-Experten.

Für Grundlagen, Spezifikationen und weitere Berichte zu IPv6 siehe:

(Monika Ermert) (hob)