E.coli-Diesel

LS9 und Forscher der Universität Berkeley haben einen neuen Stamm Kolibakterien fertiggestellt, der sämtliche Enzyme produzieren kann, um Zellulose zu Biokraftstoff zu verarbeiten.

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Von
  • Katherine Bourzac

LS9 und Forscher der Universität Berkeley haben einen neuen Stamm Kolibakterien fertiggestellt, der sämtliche Enzyme produzieren kann, um Zellulose zu Biokraftstoff zu verarbeiten.

Etliche Firmen arbeiten derzeit an gentechnisch veränderten Mikroorganismen, die pflanzliche Zellulose ohne großen Aufwand in Biokraftstoffe verwandeln sollen. Eine davon ist das LS9 aus San Francisco. Gemeinsam mit Forschern der Universität Berkeley hat das Start-up einen neuen Stamm Kolibakterien fertiggestellt, der sämtliche Enzyme produzieren kann, die in der Prozesskette gebraucht werden, um aus Zellulose Biotreibstoff herzustellen. Bis Ende des Jahres soll die Technologie in die kommerzielle Produktion gehen. Eine Pilotanlage ist bereits in Betrieb.

Der letzte Streich in der Entwicklung war das Enzym Hemicellulase, das die langkettige Zellulose in Zuckermoleküle zerlegt. Die werden dann mit Hilfe von weiteren Enzymen von den Kolibakterien in verschiedene Kohlenwasserstoff-Gemische umgewandelt – unter anderem einen Dieselkraftstoff. Nachdem die Einzeller sie ausgeschieden haben, sammeln sich die leichten Verbindungen im Reaktortank an der Oberfläche, wo sie abgeschöpft werden.

LS9 könne so zwar eine Reihe von Kraftstoffen herstellen, konzentriere sich aber auf Diesel, sagt Entwicklungsleiter Stephen Del Cardayre. Dessen technischen Spezifikationen seien leichter zu erreichen. Zudem nimmt in den USA der Dieselverbrauch, der dort insgesamt nicht so hoch ist wie in Europa, um jährlich immer noch zwei bis vier Prozent zu. Der Benzinverbrauch hingegen stagniert. Im vergangenen Jahr schloss LS9 zudem eine Vereinbarung mit dem Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble über die Produktion weiterer Handelschemikalien ab.

Die meisten Mikroben, die bislang gentechnisch verändert worden sind, können nur einen Teil der Prozesskette bewältigen, in der aus Zellulose-haltiger Biomasse Kraftstoff gewonnen wird. Deshalb ist häufig noch eine Weiterbehandlung mit Katalysatoren oder einer Wärmebehandlung nötig. „Die neue E.-coli-Variante ist eine Biomaschine, die alle Prozessschritte auf einmal durchführen kann“, betont David Berry vom Investor Flagship Ventures, der LS9 mitgegründet hat.

LS9 habe einen effizienteren Stoffwechsel für Kolibakterien entwickelt, um Zuckermoleküle in Fettsäuren umzuwandeln, als andere Unternehmen, die mit Synthetischer Biologie arbeiten, sagt Jay Keasling, ebenfalls Mitgründer und Bioingenieur an der Universität Berkeley. Weil Escherichia coli seit Jahrzehnten als Modellorganismus in der Molekularbiologie eingesetzt wird, seien seine Stoffwechselwege bestens bekannt. Zudem sei es leicht zu züchten.

Fettsäuren sind die Basis diverser Handelschemikalien. Bislang wurden sie aus Erdöl gewonnen. Damit die Bakterien sie in einem neuen Stoffwechsel bilden, musste LS9 mehrere Gene verändern und einige hinzufügen. Die jahrelange Entwicklungsarbeit habe sich gelohnt, so Keasling: „Jetzt können wir ein bestimmtes Fettsäuremolekül ganz gezielt herstellen.“ Während die Pilotanlage südlich von San Francisco noch ein Fassungsvermögen von 1000 Litern hat, soll die neue Anlage 75.000 Liter fassen.

Keasling hat außer LS9 noch eine weitere Firma, Amyris Biotechnologies, mitgegründet. Im Unterschied zu LS9 verwendet sie Hefen, um die Ausgangsmaterialien für Kraftstoffe vor allem aus Zuckerrohr zu gewinnen. Im vergangenen Jahr nahm Amyris eine Versuchsanlage in Brasilien in Betrieb. In Europa arbeitet die schweizerisch-deutsche Firma Butalco, an der der Frankfurter Biologe Eckhard Boles beteiligt ist, mit Hefen. Sie will mit deren Hilfe Biobutanol produzieren. Der Kraftstoff enthält ein Drittel mehr Energie als Bioethanol.

Für Jim Collins, Bioingenieur an der Universität Boston, muss LS9 nun zeigen, ob es im großen Stil kosteneffizient produzieren kann. „Wenn man das Volumen von 10 Litern auf 1000 Liter erhöht, ändert sich die Biologie. Was im Labor noch gut funktioniert hat, klappt plötzlich nicht mehr“, weiß Collins. Denn die Mikroben würden sich in einer neuen Umgebung anders verhalten. „Die spannende Frage ist nun, welche Firma in den nächsten Jahren hohe Erträge hinbekommt und zugleich durch Massenproduktion die Kosten unten hält.“ (nbo)