Neue Schutzhaut für Solarzellen

Eine neue Antireflexbeschichtung könnte die lichtinduzierte Degradation von Solarzellen, ein leidiges Problem in der Photovoltaik, auf ein Zehntel reduzieren.

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Von
  • Tyler Hamilton

Eine neue Antireflexbeschichtung könnte die lichtinduzierte Degradation von Solarzellen, ein leidiges Problem in der Photovoltaik, auf ein Zehntel reduzieren.

Im Photovoltaik-Markt geht es um Prozentpunkte. Selbst kleinste Verbesserungen im Wirkungsgrad können für Hersteller das Geschäft ankurbeln. Antireflexbeschichtungen etwa, die heutigen Solarzellen ihre charakterstische Blautönung geben, sorgen dafür, dass möglichst viel Licht das Halbleitermaterial erreicht und in Strom umgewandelt wird. Zudem reduzieren sie Oberflächendefekte, die die Leistung ebenfalls senken. Mit einer neuen Beschichtung von Sixtron Advanced Materials, einer Ausgründung zweier Universitäten aus der kanadischen Provinz Quebec, könnten Verluste im Wirkungsgrad gesenkt und die Lebensdauer von Solarzellen verlängert werden.

Das derzeit gängigste Beschichtungsverfahren, bei dem Silan-Gas aufgedampft wird und einen Siliziumnitrid-Film bildet, hat einige Nachteile. Silan-Gas ist an der Luft entzündlich und teuer im Transport. Hersteller müssen deshalb Sicherheitsvorkehrungen treffen und das Gas in Spezialbehältern speichern.

„Das Schadenspotenzial ist immens“, sagt Ajeet Rohatgi, Direktor des Photovoltaik- Forschungszentrum am Georgia Institute of Technology. Denn der Silizium-Nitrid-Films verhindert ein anderes Problem nicht. Innerhalb der ersten 48 Stunden im Einsatz kann die Sonneneinstrahlung zur so genannten lichtinduzierten Degradation führen. „Bei einer Zelle, die eigentlich einen Wirkungsgrad von 18 Prozent hat, fällt dieser dann ziemlich rasch auf vielleicht 17,5 Prozent, und dieser Verlust kann nicht mehr rückgängig gemacht werden“, erläutert Rohatgi.

Mit seiner Gruppe hat er in den vergangenen 18 Monaten das Silan-freie Verfahren von Sixtron Advanced Materials getestet. Das verwendet Silizium-Carbid-Nitrid – auch unter dem Markennamen „Silexium“ bekannt – und reduziert die lichtinduzierte Degradation auf fast ein Zehntel.

Die kommt so zustande: Wafer aus kristallinem Silizium werden üblicherweise mit Bor dotiert und enthalten darüber hinaus auch noch Sauerstoff. Wird die Zelle nun erstmals Sonnenlicht ausgesetzt, verbinden sich Bor- und Sauerstoff-Atome. Die Folge: Der Wirkungsgrad verschlechtert sich um drei bis fünf Prozent (was mehr als einen halben Prozentpunkt im Wirkungsgrad ausmachen kann). Beschichtet man die Zelle hingegen mit einem Silexium-Film, diffundiert ein Teil der Kohlenstoffatome ins Silizium. Die Georgia-Tech-Forscher vermuten, dass diese sich schneller als Bor mit Sauerstoff verbinden, so dass weniger von den schädlichen Bor-Sauerstoff-Verbindungen zustande kommen.

Um ganz sicher zu sein, müsse man aber in einer neuen Studie den genauen Sauerstoffgehalt in den Wafern bestimmen, nachdem sie aus dem Brennofen kommen, sagt Rohatgis Kollege Abasifreke Ebong. Sollte der tatsächlich niedriger sein, würde das die Erklärung bestätigen. „Auf diese Daten warten wir jetzt“, sagt Ebong.

Eine Verbesserung des Degradationseffekts um 0.1 Prozentpunkte würde für eine 60-Megawatt-Produktion die Gewinnmarge um 600.000 Dollar erhöhen, rechnet Mike Davies, Vizepräsident von Sixtron Advanced Materials, vor. Ein weiterer Pluspunkt von Silexium: Statt Silan-Gas vorzuhalten, müssten die Solarzellhersteller nur ein eigens entwickeltes Polymer lagern, das Silizium und Kohlenstoff enthält (letzteres in den organischen Verbindungen des Polymers). Mit Wärme und Druck wird das feste Polymer in ein weniger gefährliches Methyl-Silan-Gas verwandelt, das dann bei der Beschichtung eingesetzt wird. Die Vergasungsreaktion findet in der so genannten SunBox statt. Das ist eine Apparatur von Sixtron, die sich in die herkömmlichen Fertigungsstraßen der Solarzellproduktion integrieren lässt.

Joshua Pearce, Materialwissenschaftler an der Queen’s University im kanadischen Kingston, hält die von Sixtron geschilderten Risiken von Silan-Gas aber für übertrieben. „Dafür gibt es ja längst Sicherheitsvorkehrungen in Solarzellfabriken.“ Dennoch sei natürlich alles, was die Herstellungskosten in der Photovoltaik-Branche senkt, „großartig“.

Sixtron Advanced Materials arbeitet nach eigenen Angaben bereits mit den drei führenden Solarzellherstellern in der Bundesrepublik, darunter Q-Cells, zusammen. Mit einigen anderen Firmen sei man im Gespräch. Das Unternehmen will die SunBox vermieten. (nbo)