Gesundheitsdatennutzungsgesetz: Bereits erster Blick in den Entwurf

Ursprünglich wollte die Bundesregierung die europäische Regelung zum Europäischen Gesundheitsdatenraum abwarten, jetzt liegt ein Referentenentwurf vor.

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Auf einem Tisch stehen Wassergläser, dahinter ein Laptop; er zeigt das Schema eines Menschen, eine Doppehelix und andere Medizin-verwandte Symbole

(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Gesundheitsdaten sollen für die Forschung leichter verfügbar werden. Dazu hat das Bundesgesundheitsministerium einen Entwurf für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) erarbeitet, der heise online vorliegt. Dieser soll bürokratische und organisatorische Hindernisse bei der Nutzung von Gesundheitsdaten abbauen. Das Ministerium plant nur wenig Zeit für parlamentarische Beratungen ein: Das Gesetz soll bereits am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Über eine nationale Koordinierungsstelle sollen Gesundheitsdaten abgerufen werden können, wobei neben dem Datenschutz auch ein erstmals kodifiziertes Forschungsgeheimnis für den Schutz der Krankheitsdaten sorgen soll. Überdies soll der Bundesdatenschutzbeauftragte erheblich mehr Aufgaben übernehmen, auch von seinen Länderkollegen. Die Bundesregierung will damit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Deutschland an einem künftigen Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) teilnehmen kann.

Mit dem Gesetz soll eine nationale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die als zentrale Vermittlerin zwischen den Stellen, die Daten halten, und den Nutzern von Daten fungieren soll. Dazu übernimmt sie koordinierende Aufgaben bei Anträgen auf Datenverknüpfung. Angesiedelt werden soll diese Stelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wobei sie von den Datenhaltern technisch und organisatorisch unabhängig agieren soll. Näheres zur Organisation soll eine Rechtsverordnung des Bundes regeln.

Außerdem wird für die Verknüpfung von Daten des Forschungsdatenzentrums Gesundheit (FDZG) und der klinischen Krebsregister ein Verfahren entwickelt, um deren Daten "datenschutzkonform und rechtssicher" auf Personenebene miteinander zu verknüpfen. Dabei wird eine anlassbezogen erstellte Forschungskennziffer verwendet. Eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums soll die technisch-organisatorischen Details festlegen. Das Parlament hat keine Möglichkeit, auf die Verordnungen und damit auf die konkrete Gestaltung Einfluss zu nehmen.

Diese Forschungskennziffer ist etwas anderes als die viel diskutierte Gesundheits-ID. Die Gesundheits-ID wird ab dem 1. Januar 2024 von den Krankenkassen den Versicherten auf Wunsch zur Verfügung gestellt. Damit soll der Zugang zu Online-Gesundheitsanwendungen einfacher werden, auch das Einloggen in das E-Rezept und die elektronische Patientenakte ePA soll damit möglich sein.

Kranken- und Pflegekassen sollen künftig mehr mit den Abrechnungsdaten ihrer Versicherten arbeiten dürfen. So sollen sie "zum individuellen Gesundheitsschutz" datengestützte Auswertungen vornehmen. Des Weiteren sollen die Daten ausgewertet werden, um Versorgung wie auch Patientensicherheit zu verbessern. Dazu soll es den Kassen erlaubt sein, die Patientinnen und Patienten individuell anzusprechen, etwa wenn eine konkrete Gesundheitsgefährdung festgestellt wird. Die Betroffenen können der Datenauswertung widersprechen.

Um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch bei der sekundären Nutzung von Gesundheitsdaten zu stärken, sollen personenbezogene Gesundheitsdaten durch die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Forschende, die mit Gesundheitsdatenarbeiten arbeiten, geschützt werden. Der Entwurf sieht außerdem vor, die Beschlagnahmung von Gesundheitsdaten zu verbieten. Des Weiteren soll die Offenlegung von Informationen, die aus der Weiterverwendung personenbezogener Gesundheitsdaten abgeleitet werden, strafrechtlich verfolgt und sanktioniert werden. Damit greift das Bundesgesundheitsministerium eine alte, zentrale Forderung der Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern endlich auf.

Ein sehr weitreichender Vorschlag bezieht sich darauf, dem Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) breitere Zuständigkeit einzuräumen. Demnach soll künftig allein der BfDI über jene Stellen Aufsicht führen, die Sozialdaten verarbeiten, die als Gesundheitsdaten gelten. Auch soll er Aufsicht über Kranken- und Pflegekassen, GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Vereinigungen sowie Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und die Kassen­zahnärztlichen Vereinigungen sowie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) ausüben.

Daneben soll die Bonner Aufsichtsbehörde auch die Datenschutzaufsicht im Bereich der klinischen Prüfungen übernehmen. Damit will der Bund für eine einheitliche Datenschutzpraxis sorgen, die angeblich durch unterschiedliche Rechtsauslegungen behindert werde. Tatsächlich hat sich die Koordinierung der Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern mit Blick auf Europa in den letzten fünf Jahren erheblich verbessert.

Am Beispiel des Forschungsdatenportals Gesundheit (FDPG) zeigt sich aber, dass die dezentrale Aufsichtsstruktur schwierig sein kann, da hier beispielsweise die Datenschutzfolgenabschätzungen der an das Portal angeschlossenen Datenzentren in den verschiedenen Bundesländern operativ von den diversen Landesbehörden geprüft werden. Der Bund hat hier lediglich eine beratende Rolle im Rahmen der Datenschutzkonferenz.

Mit diesen Maßnahmen zur Erweiterung der dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur will die Bundesregierung, wie bereits auf der Data-for-Health-Konferenz angekündigt, frühzeitig den europäischen Anforderungen des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) gerecht werden. So will sie sicherstellen, dass die künftige Gesundheitsdateninfrastruktur an den EHDS anschlussfähig ist. Noch bevor der EHDS frühestens in zwei Jahren in Kraft tritt, sollen also schon Einrichtungen im deutschen Gesundheitswesen Daten zur Verfügung stehen.

Noch im Frühjahr äußerte die Bundesregierung die Absicht, auf das Ergebnis des europäischen Diskussionsprozesses warten zu wollen. Offenbar ist Berlin angesichts der langwierigen Debatte im europäischen Parlament nicht mehr davon überzeugt, dass es seitens der Europäischen Union zu noch verbindlicheren Vorgaben kommen wird.

(mack)