Neues Gehirnimplantat ist fünfmal dünner als ein Haar

US-Firma Precision Neuroscience hat ein flexibles Gehirnimplantat entwickelt, das durch seine geringe Größe besticht. Erste Tests an Menschen liefen bereits.

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(Bild: Screenshot aus Produktvideo / Precision Neuroscience)

Lesezeit: 4 Min.

Implantate, die mit winzigen Elektroden das Feuern der Neuronen im Gehirn auslesen oder gezielt stimulieren, könnten künftig die Lebensqualität vieler Menschen verbessern. Die Vision: Wer neurologische Einschränkungen hat, gelähmt oder blind ist, soll dank solcher Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer-Interface, BCI) etwa wieder gehen, kommunizieren beziehungsweise sehen können. Erste Erfolgsmeldungen gibt es bereits.

Denoch kommen implantierte BCI in Menschen bisher nur in wenigen Fällen zum Einsatz, in der Regel im Rahmen wissenschaftlicher Studien. Schließlich bergen chirurgische Eingriffe in den Kopf Risiken – und die bisher üblichen Implantate stecken wie winzige Nagelbretter im Gehirngewebe. Sie können Entzündungen und Narben verursachen, was zudem die elektrischen Kontakte und damit die Performance der Implantate beeinträchtigt.

Das Start-up Precision Neuroscience aus New York will Abhilfe schaffen und hat ein Implantat entwickelt, das biegsam und sanfter zum Gehirn sein soll. Zudem könne es minimalinvasiv implantiert werden und die Hirnströme mehrere hundertmal genauer kartieren als die bisher üblichen Ausführungen, heißt es vom Unternehmen. Kürzlich wurde es erstmals an Menschen getestet. Eine wissenschaftliche Publikation dazu steht bislang noch aus.

Laut Unternehmensangaben ist das flexible Implantat etwa einen Quadratzentimeter klein und fünfmal dünner als ein Haar. Durch einen millimeterdünnen Schnitt kann es zwischen Gehirn und Schädeldecke geschoben werden und positioniert sich dort quasi von selbst. Die Elektroden liegen nur auf und penetrieren das Gewebe nicht. Zudem können sie in zwei Richtungen wirken, die Hirnsignale also nicht nur detektieren, sondern Neuronen auch stimulieren, indem sie elektrische Impulse in das Gehirn hineingeben.

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Die neuartige Gehirn-Computer-Schnittstelle wurde am West Virginia University’s Rockefeller Neuroscience Institute (WVU RNI) an drei Patienten getestet, deren Schädeldecken ohnehin für Tumorperationen geöffnet werden mussten. Rund 15 Minuten lang hatte das Implantat jeweils Kontakt zum Gehirn. In dieser Zeit konnte das Interface die neuronale Aktivität auslesen, aufnehmen und kartieren. "Es ist ein bemerkenswerter Erfolg, dass die Gehirnaktivität in Echtzeit und in einer solch hohen Auflösung kartiert wurde. Es ist so, als ob ich dem Gehirn des Patienten beim Denken zugeschaut hätte", sagt der WVU-Forscher Peter Konrad, der die Studie leitete.

Der wissenschaftliche Leiter vonseiten des Start-ups ist der Neurochirurg Benjamin Rapoport. Er gründete 2017 Elon Musks Unternehmen Neuralink mit, verließt es aber nach einem guten Jahr wieder. Auch Neuralink arbeitet an Gehirn-Computer-Schnittstellen, hat schon medienwirksam Affen Mindpong spielen lassen und erst kürzlich eine Zulassung der US-Gesundheitsbehörde FDA für Tests an Menschen bekommen. Allerdings steht Neuralink wegen mutßmaßlicher Verstöße gegen Tierschutzauflagen stark in der Kritik.

Precision Neuroscience prüfte die Sicherheit seines Implantats vor zwei Jahren an Göttinger Minischweinen (so der Name der Rasse). Die Tests verliefen einer Publikation auf dem Preprint-Server bioRxiv zufolge erfolgreich. Die Gehirne der Tiere hätten keinen Schaden genommen, heißt es dort.

Als Nächstes will das New Yorker Start-up bei der FDA eine Erlaubnis beantragen, das flexible Implantat bis zu 30 Tage lang in Menschen zu testen. Die bei längeren Messungen erfassten Neuronenaktivitäten könnten neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns liefern und unter anderem bei der Tumor- und Epilepsiediagnose helfen, heißt es aus dem Unternehmen. Das längerfristige Ziel sei es aber, technische Lösungen für Menschen mit neurologischen Krankheiten und Einschränkungen zu entwickeln.

(anh)