Kirche und KI: Vatikan veröffentlicht Handbuch als Ethik-Leitfaden

Ein 100-seitiges Handbuch soll Firmen bei der Bewältigung ethischer Fragen hinsichtlich neuer Techniken helfen. Doch die Ethik-Ausrichtung ist eingeschränkt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
«AndachtsApp»

Sozialnetzwerke dürften nicht dazu benutzt werden, anderen Menschen zu schaden, schrieb der Papst.

(Bild: dpa, Ettore Ferrari)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Eike Kühl

Der Vatikan und die Römisch-katholische Kirche sind nicht gerade das erste, an das man denkt, wenn es um künstliche Intelligenz geht. Umso überraschender war die Meldung aus der vergangenen Woche, dass der Vatikan an einem Handbuch über die – unter anderem – Ethik künstlicher Intelligenz beteiligt war.

Das Handbuch mit dem Titel "Ethik im Zeitalter disruptiver Technologien: Ein operationaler Leitfaden" ist in Zusammenarbeit mit dem Markkula Center for Applied Ethics an der Universität von Santa Clara in Kalifornien entstanden. Genauer: Gemeinsam mit dem Institute for Technology, Ethics and Culture (ITEC), das wiederum in Technikfragen mit der Kultur- und Bildungsbehörde des Vatikans kooperiert. Der rund 100 Seiten lange Leitfaden soll der Tech-Branche bei der Bewältigung ethischer Fragen im Bereich KI, maschinelles Lernen, Verschlüsselung und Tracking helfen. Die Publikation erscheint im Kontext des derzeit geplanten AI Acts auf EU-Ebene zeitlich passend.

Das ITEC-Handbuch richtet sich nicht an die Politik, sondern vor allem an Unternehmen, die mit neuen, disruptiven Techniken arbeiten. Man wolle Regeln formulieren, die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit heranziehen können, "sei es beim Schreiben eines Codes oder eines technischen Handbuchs oder beim Nachdenken über Themen rund um die Arbeitsplatzkultur", sagte Ann Gregg Skeet, eine der Autorinnen, gegenüber Gizmodo.

Das ITEC-Handbuch formuliert dabei sieben ethische Grundsätze für alle, die mit disruptiven Technologien wie eben künstlicher Intelligenz arbeiten. Dazu gehört etwa "Respekt vor der Menschenwürde", "Investition in die Menschlichkeit" und "Privatsphäre und Vertraulichkeit". Die sieben Grundsätze sind ihrerseits in verschiedene Unterpunkte unterteilt, etwa der Bekenntnis, "nicht mehr Daten zu sammeln, als nötig". Oder das Ziel, mithilfe der Technik "stärkere Gemeinschaften zu schaffen".

Neben ethischen Leitlinien formuliert ITEC auch den im Titel erwähnten operationalen Leitfaden. Er ist so aufgebaut, dass Unternehmen ihn heranziehen können, um Werte und ethische Grundsätze in ihre Technologien und Unternehmenskultur zu integrieren. In einer mehrstufigen Roadmap geht es darum, bei der Entwicklung eines neuen Produkts oder auch der Gründung eines neuen Unternehmens klar die Grundpfeiler abzustecken, um nach den zuvor erwähnten Grundsätzen zu handeln.

"Das Handbuch listet ethische Leitlinien und Prinzipien auf, die sich schon seit Jahren in der KI-Debatte herauskristallisiert haben", sagt die Philosophin und Theologin Anna Puzio, die sich mit Technikethik befasst und die das Netzwerk für Theologie und KI mitgegründet hat. Ethische Prinzipien würden einfach auf neue Kontexte übertragen, wodurch es vage bleibe. Und während Puzio es lobenswert findet, dass etwa der Umweltschutz Erwähnung findet, sei die formulierte Ethik doch "westlich und anthropozentrisch ausgerichtet" und ignoriere damit sowohl philosophische Debatten als auch nicht-westliche Ethikansätze.

Generell sei es aber wichtig, dass sich Kirchen, Religionen und Theologien mit neuen Technologien auseinandersetzen, sagt Puzio: "Durch Technik und KI verändert sich, wie wir leben, kommunizieren, arbeiten, Politik, Gesellschaft und auch die religiösen Praktiken gestalten. Technologisierung ist deshalb relevant für eine Theologie, die den Anspruch erhebt, an die menschliche Lebenswirklichkeit anzuknüpfen."

Anders gesagt: Mit neuen Techniken ändern sich die Orte der Kirche. "Orientierung ist wichtig, aber es braucht gleichzeitig mehr Engagement", sagt Puzio. "Es braucht Theologinnen und Theologen im Design, in der Entwicklung und in der Gestaltung des Einsatzes von KI. Es braucht Expertinnen und Experten, die sowohl über Expertise als auch Diversität verfügen.“

(jle)