Vor 10 Jahren: Autobahnmaut mit GSM und GPS

1993 stellte die Telekom-Tochter DeTemobil zusammen mit der französischen Sagem auf dem internationalen Pressekolloquium das "System zur autmatischen Gebührenerhebung durch GSM-Mobilfunktechnik" vor.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 321 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wenn heute das zweitägige internationale Pressekolloquium der Deutschen Telekom beginnt, dann wird nicht nur der "Durchbruch für Breitband" gefeiert, für den in Tageszeitungen eifrig geworben wird. Vielmehr kann das Kolloquium ein schmalbandiges Jubiläum begehen: Vor 10 Jahren stellte die Telekom-Tochter DeTemobil zusammen mit der französischen Sagem auf dem Pressekolloquium das "System zur automatischen Gebührenerhebung durch GSM-Mobilfunktechnik" vor.

Über das Global Positioning System (GPS) sollte zunächst ein Fahrzeug mit eingebautem Sagem-Gebührenzähler lokalisiert werden. Sowie ein Rechner ermittelt hatte, dass sich das Fahrzeug auf der Autobahn befindet, sollte mittels GSM-Funk und einer Chip/Kreditkarte die Belastung der anfallenden Streckengebühren erfolgen. Den staunenden Journalisten wurde das "stabile und leistungsfähige" System vorgeführt und die beteiligten Firmen versicherten, das System spätestens 1998 flächendeckend installieren zu können, wenn nicht schon durch die EU-Harmonisierung im Jahre 1996 die streckenabhängige Autobahngebühr eingeführt werde. Versichert wurde auch, wie seinerzeit die iX (3/1994, Seite 30) berichtete, dass die Erstellung von Bewegungsprofilen anhand der erhobenen Daten unmöglich sei, da die Mobilfunkunternehmen die Anonymität garantieren würden.

Wenige Wochen nach der Premiere auf dem Pressekolloquium startete das Bundesverkehrsministerium die Planungen für den Feldversuch auf der A555 zwischen Köln und Bonn. Ziel sollte ein Gesamtsystem sein, bei dem die "Intelligente Straße" entsteht, die "im Ergebnis sicherer ist, umweltfreundlicher gestaltet werden kann, zusätzliche Vorteile für den Nutzer durch Informationen verschiedenster Art bietet und zusätzliche Kapazitätsreserven mobilisiert". Einwände gegen das System hatten nur Datenschützer, die die Protokollierung eines jeden Fahrzeugs als "ersten Schritt in den Überwachungsstaat" bezeichneten. Sie forderten ein Fahren ohne Datenspuren. Der vom TÜV Rheinland durchgeführte Feldversuch begann noch im Jahre 1994 und verlief "zufriedenstellend", das System der mobilen Autobahngebühr wurde als "stabil und praktikabel" bewertet. Ende 1995 kündigte darum der Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU) die Einführung einer streckenbezogenen Schwerlastabgabe an: Bei Lastkraftwagen hatte sich die EU auf eine europaweite Vermautung geeinigt. Ganz so schnell ging es nicht, ein zweiter Feldversuch wurde durchgeführt, die Messbrücken zu testen, die zwischen "Gutzahler" und Mautpreller unterscheiden mussten.

10 Jahre später ist die Technik-Euphorie um die Autobahngebühr nicht recht spürbar. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hat Toll Collect gerade den neuen Zeitplan im Verkehrsministerium abgegeben. Der Plan basiert auf einer Einführung in zwei Stufen, wobei Stufe 1 im Dezember 2004 funktionsfähig sein und Stufe 2 zum 31. Dezember 2005 angeboten werden soll. Er muss vom Ministerium in den nächsten Tagen akzeptiert oder abgelehnt werden. Gegenüber dem Handelsblatt hat Verkehrsminister Stolpe bereits signalisiert, dass er eine zweistufige Lösung akzeptieren könne, weil sie besser sein könne "als sich auf Alternativen zuzubewegen".

Von der Zeitschrift Capital befragte Spezialisten haben die bisher bekannt gewordenen Eckdaten bereits für unrealistisch erklärt. So soll die Neuentwicklung und der Test der 12 problematischen Softwaremodule mindestens drei Jahre brauchen. Ein Experte erklärte obendrein, dass die LKW-Maut ohne das Satellitensystem Galileo mit seinen deutlich stärkeren Signalen keine Chance habe. Damit wäre die Mauterfassung erst im Jahre 2009 funktionabel, 15 Jahre nach der Demonstration auf einem Pressekolloquium. (Detlef Borchers) / (anw)