Minikraftwerk im Fluss

In der Schweiz versucht eine Genossenschaft aus ökologisch bewegten Bürgern, Wasser als dezentrale Energiequelle anzuzapfen.

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In der Schweiz versucht eine Genossenschaft aus ökologisch bewegten Bürgern, Wasser als dezentrale Energiequelle anzuzapfen.

Wenn von Wasserkraft an Flüssen und Seen die Rede ist, denkt man normalerweise an großtechnische Anlagen mit mehreren Staustufen, riesigen Turbinen und enormer Durchflussleistung, die ganze Regionen versorgen können. Es geht aber auch deutlich kleiner: Mit Hilfe der sogenannten Wasserwirbeltechnik lassen sich in rotationssymmetrischen Staubecken, durch die Teile des Flusswassers umgeleitet werden, auch minimale Fallhöhen ab 70 Zentimetern ausnutzen, um Strom zu erzeugen.

Mittels Gravitation entsteht in dem runden Becken ein konstanter Wasserwirbel, der eine Turbine antreibt. Ein Vorteil dieser Kleinkraftwerke ist, dass sie den Fischbestand nicht gefährden: Die verwendeten Rotoren drehen sehr langsam und sorgen sogar für mehr Sauerstoff im Fluss. Außerdem lassen sie sich relativ leicht aufbauen, brauchen keine Staumauern und arbeiten verschleißarm; auch Treibgut fließt normalerweise einfach durch.

In der Schweiz will nun die Genossenschaft Wasserwirbelkraftwerke, kurz GWWK, die Nutzung der Technologie vorantreiben – sie möchte dazu überall im Land umweltbewegte Menschen zusammenführen, die gemeinsam solche Anlagen finanzieren und aufbauen, die "100 Prozent ökologischen Strom" liefern. Das scheint anzukommen: Nach sieben Monaten waren 100 private Geldgeber für ein erstes Kraftwerk im Kanton Aargau gefunden, 300.000 Franken kostete die Anlage.

In Schöftland generiert die Pilotanlage am Flüsschen Suhre, einem Nebenfluss der Aare, nun genügend Strom für immerhin 25 Haushalte oder rund 60 Personen. "Die Idee war, die Kraft des Flusses zu nutzen, wenn wir schon hier wohnen", erklärt GWWK-Macher Andreas Steinmann, der zu den Ideengebern zählt. Ursprünglich hatte der Genossenschaftsgründer erwogen, ein einfaches Wasserrad zu installieren, das aber Kosten-Nutzen-mäßig nicht sinnvoll gewesen wäre. "Dann sind wir im Internet auf die Wasserwirbeltechnik gestoßen." Entwickelt wurde die in ihrer aktuellen Form vom Diplom-Ingenieur Franz Zotlöterer aus Österreich.

Der in Schöftland eingesetzte Rotor, den eine örtliche Metallbaufirma fertigte, wiegt 1,7 Tonnen und dreht sich pro Minute gut 20 Mal – für den Betrachter hat der konstante Wasserwirbel eine Zen-artige Qualität. Bevor die Anlage in den Produktionsbetrieb ging, wurde intensiv unter unterschiedlichen Wasserbedingungen getestet und feinabgestimmt – auch am zugehörigen Generator. Die elektrische Leistung liegt damit nun zwischen 8 und 15 kW, die Jahresproduktion soll bis zu 130.000 Kilowattstunden erreichen. Auch bei Trockenheit sei das kein Problem, glauben die Macher. Das Umfeld der Anlage wurde außerdem aufwendig renaturiert, um den Eingriff in die Natur möglichst klein zu halten.

Auch in Niederösterreich arbeitet inzwischen ein erstes Wasserwirbelkraftwerk. Die kleine Anlage in Ober-Grafendorf nutzt eine Fallhöhe von nicht ganz anderthalb Metern mit einem Becken, das einen Durchmesser von 5,5 Metern hat. Auch hier liegt der Output bei rund 8 kW bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von mindestens 20 Rotationen pro Minute.

Die Schweizer Genossenschaftler hoffen nun, dass sich ihre Idee weiter verbreitet. So gibt es Planungen für mindestens 30 weitere Anlagen im ganzen Land, die bis 2015 am Netz sein könnten. Der Staat beteiligt sich mit der für Ökostrom gedachten kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Das Potenzial könnte aber noch viel größer sein: Bis zu 40.000 Standorte seien geeignet, heißt es von der GWWK. 7000 davon könnten bestehende Ressourcen geschlossener alter Flusskraftwerke mitnutzen, deren Reaktivierung Kosten spart. Bei den Genossen glaubt man, dass bis zu einer Million Haushalte so versorgt werden könnten.

Bis dahin muss der Output aber noch steigen. Experten glauben, dass pro Kleinkraftwerk eine Erhöhung der Energiemenge um bis zu 50 Prozent umgesetzt werden könnte, würde etwa die Strömungsführung oder der Rotor noch verbessert. Auch einzelne Familien oder Firmen könnten dann erwägen, sich ihr eigenes Wasserwirbelkraftwerk zuzulegen, wenn die jeweilige Gemeinde mitspielt. (bsc)