Tailsitter-Drohnen: MIT macht komplexe Flugmanöver möglich

Tailsitter-Drohnen sind schwer zu fliegen, weil der Übergang vom Schwebe- zum Horizontalflug komplex ist. MIT-Forscher holen noch mehr aus diesen Drohnen raus.

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(Bild: MIT)

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Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben Algorithmen entwickelt, die die Manövrierbarkeit und Vielseitigkeit von Tailsitter-Drohnen verbessern. Die meist zweimotorigen Drohnen, die auf Heck und Tragflächen stehend starten und wieder auf ihnen landen können, sind so in der Lage, auch schwierige Flugmanöver wie etwa einen seitlichen Kopfüberflug realisieren zu können. Diese komplexen Manöver können in Echtzeit berechnet werden.

Herkömmliche Methoden zur Steuerung von Tailsitter-Drohnen vereinfachen die Systemdynamik in ihrem Flugbahnalgorithmus oder sie verwenden zwei verschiedene Modelle, etwa eins für den Helikopter-Flug sowie eins für den Flugzeugmodus. Diese Ansätze haben jedoch den Nachteil, dass sie keine "aggressiven" Flugbahnen planen und ausführen können, schreiben die Forschenden in der Studie "Aerobatic Trajectory Generation for a VTOL Fixed-Wing Aircraft Using Differential Flatness", die in IEEE Transactions on Robotics erschienen ist. Anders sieht es mit den von MIT-Wissenschaftlern entwickelten Flugalgorithmen aus.

"Wir wollten wirklich die gesamte Leistung des Systems ausschöpfen. Diese Flugzeuge sind, auch wenn sie sehr klein sind, ziemlich leistungsfähig und zu aufregenden akrobatischen Manövern fähig. Mit unserem Ansatz können wir mit einem einzigen Modell den gesamten Flugbereich abdecken, das bedeutet, alle Bedingungen, unter denen das Fahrzeug fliegen kann", sagt Ezra Tal, Forscher am Laboratory for Information and Decision Systems (LIDS) und Hauptautor der Studie.

Die Algorithmen können Tailsitter-Drohnen dazu bringen, autonom komplexe Flugmanöver in dynamischen Umgebungen durchzuführen. So können die Drohnen etwa schnell in eingestürzte Gebäude vordringen und Hindernisse umfliegen, während sie nach verletzten Menschen suchen, so das mögliche Einsatzgebiet der Tailsitter-Drohnen.

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Die Forscher verwendeten für ihren Ansatz ein globales Dynamikmodell, ein Modell, das für alle erdenklichen Flugzustände gültig ist. Es umfasst den Senkrechtstart, Vorwärts- und Seitwärtsflug sowie das Landen. Dabei mussten die Wissenschaftler berücksichtigen, dass die Drohnen wenige Flugbahnen mit schnell wechselnden Beschleunigungen bewältigen müssen.

Um das zu erreichen, müssen Algorithmen zunächst überprüfen, ob die geplante Flugbahn überhaupt physikalisch von der Tailsitter-Drohne bewältigt werden kann. So könnte etwa eine besonders scharfe Kurve nicht geflogen werden, weil sie den Mindestradius, den die Drohne bewältigen kann, unterschreitet. Außerdem sind zahlreiche Berechnungen zur Steuerung der beiden Heckmotoren und der Klappen nötig, um festzustellen, ob ein Flugmanöver durchgeführt werden kann.

Dazu nutzten die Wissenschaftler das Verfahren der "Differential Flatness" – eine Möglichkeit, mit der sie anhand mathematischer Funktionen überprüfen können, ob eine Flugbahn machbar ist. Dieser Ansatz vermeidet komplizierte Systemdynamiken und plant die Flugbahn für die Drohne als mathematische Kurve im Raum.

"Die Prüfung ist rechnerisch sehr einfach, deshalb kann man mit unserem Algorithmus tatsächlich Flugbahnen in Echtzeit planen", sagt Tal.

Diese Flugbahnen können sehr komplex ausfallen. Ein schneller Wechsel zwischen vertikalem und horizontalem Flug ist genauso möglich wie seitliche Flug- und Über-Kopf-Manöver.

"Viele Forschungsteams haben sich auf den Quadrokopter konzentriert, eine Konfiguration, die bei fast allen Verbraucherdrohnen sehr verbreitet ist. Die Heckflügler hingegen sind im Vorwärtsflug viel effizienter. Ich glaube, sie wurden nicht so oft eingesetzt, weil sie viel schwieriger zu steuern sind", sagt Sertac Karaman, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik am Laboratory for Information and Decision Systems (LIDS). "Aber die von uns entwickelte autonome Technik macht sie plötzlich für viele Anwendungen verfügbar, von der Verbrauchertechnik bis hin zu groß angelegten industriellen Inspektionen."

Die Forscher testeten die Algorithmen mit mehreren Tailsitter-Drohnen in einer Flughalle des MIT. Sie ließen die Drohnen senkrecht starten und schnelle Richtungswechsel beim Flug von Steilkurven durchführen. Zusätzlich vollführten drei Tailsitter-Drohnen synchron zueinander Loopings, scharfe Kurven und flogen durch Tore. Tal sagt, dass diese Manöver ohne die Verwendung von "Differential Flatness" nicht möglich gewesen wären.

Die MIT-Wissenschaftler sind damit aber noch nicht am Ende ihrer Forschungsarbeit angekommen. Sie planen nun eine Erweiterung der Algorithmen, sodass mit den Tailsitter-Drohnen vollständig autonome Flüge im Freien auch unter widrigen Wetterbedingungen, wie etwa starke Winde, durchführbar sind.

(olb)