Mülltrennung für Reaktoren
GE Hitachi Nuclear Energy will mit einem neuen Wiederaufbereitungsverfahren sowohl den Atommüll als auch das Sicherheitsrisiko Plutonium deutlich reduzieren.
- Kevin Bullis
GE Hitachi Nuclear Energy will mit einem neuen Wiederaufbereitungsverfahren sowohl den Atommüll als auch das Sicherheitsrisiko Plutonium deutlich reduzieren.
Bei allem Gerede von einer „Renaissance der Kernkraft“ wird meistens ausgeblendet, dass ein zentrales Problem auch nach über 50 Jahren nicht gelöst ist: Wohin mit dem Atommüll? Das geplante US-Endlager Yucca Mountain ist erst im vergangenen Jahr von der Obama-Regierung gekippt worden. GE Hitachi Nuclear Energy, einer der größten Kernreaktor-Hersteller der Welt, bringt nun eine – nicht ganz neue – Alternative zum Einlagern ins Gespräch: Der Atommüll soll als Brennstoff für neue AKW-Typen dienen. Dadurch würde sich das Müllvolumen sowie die Dauer des Einlagerns verringern.
Die Technologie dazu haben GE Hitachi und verschiedene US-Labore seit einigen Jahrzehnten entwickelt. Doch in den letzten Jahren habe das Unternehmen sie „auf Eis gelegt“, weil in den USA kein Interesse daran bestanden habe, sagt Eric Loewen, leitender Ingenieur bei GE Hitachi. GE Hitachi hofft, dass die von US-Präsident Obama neu berufene Atommüllkommission sich für den Ansatz erwärmen kann. US-Energieminister Steven Chu steht nicht nur verschiedenen Kernkraftwerkstypen grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, sondern auch der Wiederaufbereitung von Atommüll. Erst kürzlich sprach sich Obama dafür aus, die Kernkraft für eine künftige Energieversorgung in Betracht zu ziehen. Vor drei Tagen kündigte die US-Regierung dann die erste Kreditbürgschaft für neue Reaktoren an.
Das Konzept sieht vor, radioaktive Abfälle zu trennen, um sie zu verschiedenen Brennstoffen weiterzuverarbeiten. Einige könnten dann herkömmliche AKWs betreiben, andere würden in Reaktoren mit schnellen Neutronen genutzt, die in den USA allerdings nicht im Einsatz sind. Die existierenden amerikanischen AKW nutzen nur fünf Prozent der im Brennstoff enthaltenen Energie aus. Einige Länder wie Frankreich praktizieren hingegen schon seit längerem eine Wiederaufbereitung der abgebrannten Brennstäbe. Die ist allerdings umstritten, weil dabei auch reines Plutonium entsteht, das abgezweigt und dann für den Bau von Atomwaffen verwendet werden könnte.
Der Prozess, den GE Hitachi vorschlägt, soll einen solchen Nukleardiebstahl schwieriger machen. Atommüll wird, indem eine Spannung an geschmolzene Salze angelegt wird; in drei Materialgruppen getrennt. Die erste Gruppe besteht aus Spaltprodukten, die nicht mehr als Brennstoff taugen – sie müssten immer noch eingelagert werden. Wegen ihrer relativ schwachen Radioaktivität würde sich die Lagerzeit auf einige hundert Jahre beschränken, im Gegensatz zu anderen Spaltprodukten, die Tausende von Jahren strahlen.
Die zweite Gruppe besteht aus Uran, das zu wenig spaltbares Material für die heutigen US-Reaktoren beinhaltet, aber sich für AKWs etwa in Kanada eignen würde. Die dortigen Deuterium-Uran-Reaktoren nutzen Deuteriumoxid, auch als schweres Wasser bekannt - weil es das schwerere Wasserstoffisotop Deuterium enthält - als Moderator. Im Unterschied zu den amerikanischen Leichtwasser-Reaktoren benötigen sie weniger stark angereichertes Uran.
Die dritte Gruppe schließlich enthält so genannte Transurane, also Elemente wie Neptunium oder Plutonium, die im Periodensystem jenseits von Uran liegen. Reines Plutonium, wie es in anderen Wiederaufbereitungsverfahren entsteht, ist schwer zu entdecken, weil es nur wenige Neutronen emittiert und relativ wenig Wärme sowie Strahlung freisetzt. Diese Eigenschaften machen es zum potenziellen Sicherheitsrisiko.
Im GE-Hitachi-Verfahren hingegen wird das Plutonium nicht aus den anderen Transuranen geschieden. Deren Mischung sendet dann 10.000 Mal mehr Gammastrahlung als reines Plutonium aus und produziert 1000 Mal mehr Wärme. Deshalb sei es schwieriger, es unbemerkt zu entwenden, sagt Loewen.
Mehr noch, das Transuran-Gemisch würde jeden Dieb ziemlich schnell umbringen, fährt Loewen fort. Auch wenn dies allein Terroristen noch nicht von etwaigen Beschaffungsplänen abhalten dürfte, verrät der 1000 Mal höhere Neutronen-Ausstoß das Gemisch eher an Atominspektoren und Fahnder.
Dies stimme zwar, sagt Charles Forsberg, Direktor des MIT Nuclear Fuel Cycle Project. Die Wiederaubereitungstechnologie sei dennoch gefährlich, wenn sie in die Hände von Ländern gelange, denen es nur um Waffenmaterial und nicht um Kernkraftwerke gehe.
Das Plutonium und die anderen Transurane, die beim GE-Hitachi-Prozess herausgetrennt werden, können in Natrium-gekühlten Reaktoren verwendet werden. Dank des flüssigen Natriums funktionieren die – anders als Wasser-gekühlte Reaktoren – mit energiereichen, schnellen Neutronen, die bei der Kernspaltung freigesetzt werden. GE Hitachi hat selbst einen entsprechenden Reaktortyp entwickelt, den PRISM. Der könnte das Transuran-Gemisch aus der Wiederaufbereitung als Brennstoff nutzen. In den USA ist diese Technologie bislang nicht genehmigt, unter anderem weil Natrium äußerst reaktionsfreudig ist – es reagiert etwa bei Zimmertemperatur mit Wasser, wobei viel Wärme und leicht entzündliches Wasserstoffgas freigesetzt wird – und spezielle Sicherheitsvorkehrungen erfordert.
Auch wenn durch den Ansatz von GE Hitachi weniger Atommüll übrig bleibt und sogar Brennstoff für andere Reaktoren produziert wird, löse er das Endlagerproblem immer noch nicht, gibt MIT-Experte Forsberg zu bedenken. Eine vollständige Trennung in verschiedene Materialgruppen sei schlicht nicht möglich. Es würden immer auch Stoffe übrigbleiben, die nicht weiterverwendet und für mindestens 10.000 Jahre eingelagert werden müssten.
(nbo)