Datenschützer: Chatkontrolle nicht mit Grundrechten vereinbar
Die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle ist nach Auffassung der Datenschützer von Bund und Ländern nicht mit Grundrechten vereinbar.
Die Datenschutzkonferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) kritisiert die Pläne für eine europaweite sogenannte Chatkontrolle scharf. Insbesondere die geplante Aufhebung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde die Sicherheit digitaler Nachrichten schwächen und potenzielle Sicherheitslücken schaffen, mahnen die Datenschützer in einer am Dienstag veröffentlichten Entschließung.
Die EU-Pläne würden zu einer umfassenden, anlasslosen Überwachung aller digitalen Kommunikation führen und damit die Privatsphäre aller Nutzer gefährden. Betroffen von einer "unterschiedslosen und verdachtsunabhängigen" Überwachung wären "massenweise zum Teil sehr sensible Informationen sämtlicher Nutzender, die E-Mails oder andere Nachrichten in Online-Diensten austauschen", hält die DSK in ihrer Entschließung fest.
Kinderschutz steht nicht infrage
Zugleich betont die DSK, dass der Schutz von Kindern vor Missbrauch unerlässlich ist. Das Ziel der geplanten Verordnung stünde nicht infrage, sondern die geplanten Maßnahmen. Diese bezeichnet die DSK als "unverhältnismäßig". Komplette Inhalte von E-Mails und Chats würden überwacht, wie auch Verkehrs-, Inhalts- und Standortdaten.
Dass damit die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation gebrochen werde, habe "nicht absehbare Folgen" für die Kommunikationsfreiheit, warnen die Datenschützer. Außerdem erhöhe sich das Risiko von Schwachstellen und missbräuchlichen Zugriffen. Die DSK macht deutlich: "In einer Zeit, in der Sicherheitslücken in IT-Systemen vermehrt und in großem Stil für illegale Zwecke ausgenutzt werden, sollten Schwächungen des Schutzes vermieden werden, statt absichtlich Bruchstellen in den technischen Infrastrukturen einzubauen."
Die DSK ermahnt den EU-Gesetzgeber, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und die Notwendigkeit sowie Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu berücksichtigen. Die EU-Kommission hatte im Mai 2022 die Pläne für eine Chatkontrolle vorgelegt. Sie sehen vor, dass Anbieter von E-Mail-, Messenger- oder Chat-Diensten bestimmte Indikatoren verwenden, um sexuellen Kindesmissbrauch zu erkennen. Diese Methoden hält die Datenschutzkonferenz für zweifelhaft.
Unterstützung im Rat EU-bröckelt
Der Gesetzgebungsprozess in der Europäischen Union wird gemeinsam von der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament sowie den Mitgliedstaaten im Rat bestimmt. Im Rat unterstützen Deutschland, Polen, Schweden und Österreich den aktuellen Entwurf nicht. Das finnische Parlament lehnte die Pläne erst gestern in einer an die finnische Regierung gerichteten Resolution ab.
Vor Kurzem war öffentlich geworden, dass die Chatkontrolle auf EU-Ebene mit der Unterstützung bestimmter Lobbygruppen vorangetrieben wurde, während kritische Organisationen weniger Gehör fanden.
(vbr)