Biometrie: Instrument für weltweites Immigrationsmanagement

Auf der Hamburger Tagung über "Biometrische Verfahren im praktischen Einsatz" wurde deutlich, welch hohen Stellenwert die Biometrie in den Kontrollprogrammen verschiedener Länder und Institutionen mittlerweile hat.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der Hamburger Tagung über "Biometrische Verfahren im praktischen Einsatz" wurde deutlich, welch hohen Stellenwert die Biometrie in den Kontrollprogrammen verschiedener Länder und Institutionen mittlerweile hat. So berichtete Ulf Cahn von Seelen, Vertreter der aus Iriserkennung spezialisierten Iridian Technology, von Dutzenden Projekten, in denen die Technik seiner Firma Eingang gefunden hat. In Abu Dhabi wird sie eingesetzt, um abgeschobene Kriminelle bei der Wiedereinreise zu entdecken, die Vereinten Nationen nutzen sie, um in Pakistan diejenigen zu finden, die mehrfach Flüchtlingshilfe kassieren wollen. Die größten Erfolge erzielten jedoch die freiwilligen kostenpflichtigen Systeme wie CAN-Pass in Kanada und Privium am holländischen Flughafen Shiphol, bei denen die Personen schneller bei der Grenzkontrolle abgefertigt werden, die sich in die Augen blicken lassen.

Ein wichtiges Datum für die Biometrie nannte Christian Engel von der Planungsgruppe Personaldokumente, Meldewesen und Biometrie im Bundesinnenministerium: Am 19. Februar werden im Rahmen des EU-Ratstreffens der Justiz- und Innenminister die verschiedenen Vorschläge vorgestellt, den EU-Pass mit einer einheitlichen Biometrietechnik auszustatten. "Die internationale Einigung beim Einsatz der Biometrie ist absehbar, die Verständigung in der EU ist fast vollzogen", betonte Engel, der als nächste Schritte für Deutschland die Aufnahme biometrischer Daten im Personalausweis und "perspektivisch" die sichere Authentifizierung der Bürger in elektronischen Netzwerken skizzierte. Zuvor hatte Frank Paul, Biometrie-Referent bei der Europäischen Union, die Anstregungen geschildert, die auf europäischer Ebene unternommen werden, die Vorteile der Biometrie zu nutzen. Als sehr erfolgreich bezeichnete er die Erfahrungen mit der Asylbewerber-Datenbank EURODAC, die seit Januar 2003 im Regelbetrieb arbeitet und als Black-Box funktioniert. Alle EU-Staaten überprüfen und speichern die Fingerabdrücke aller Asylbewerber, die häufig in mehreren Staaten einen Antrag stellen.

Welchen Fortschritt EURODAC bedeutet, machte Paul im Vergleich mit C-VIS, dem Visa-Informationssystem, deutlich, das ebenfalls um biometrische Datensätze erweitert wird. Durch inkompatible Computersysteme gezwungen, muss jeder EU-Staat einmal pro Woche Kuriere mit CDs der neuesten Datenbestände in alle anderen EU-Staaten schicken -- bei 100 Millionen Visa-Anträgen in der gesamten EU pro Jahr nicht unbedingt eine optimale Lösung. Dass Biometrie im erweiterten Europa mehr denn je notwendig ist, begründete Paul mit der für das Jahr 2007 geplanten Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU. Beide Länder seien extrem beschränkt, was den Vorrat an Nachnamen anbelangt. "Auf eine Anfrage im Schengen-Informationssystem bekommen Sie eine Liste mit 150 und mehr Namen, da müssen zusätzliche Daten die Suche eingrenzen." Paul nannte es unausweichlich, dass ein "weltweites Immigrationsmanagament" entsteht, das biometrische Daten braucht, um in der schieren Fülle der Namen, aber auch der unbegrenzten Möglichkeiten abweichender Schreibweisen von Namen überhaupt noch einzelne Personen identifizierbar zu machen.

Beide Referenten beklagten in Hamburg die Dominanz der USA bei den biometrischen Techniken und forderten europäische Anstrengungen, damit der Grenzverkehr nicht unter Kontrolle ausländischer Interessen gerät. EU-Vertreter Paul setzte dabei große Hoffnungen in das European Biometrics Forum in Dublin, das im Juli 2003 seine Arbeit aufgenommen hat und für die biometrischen Komponenten zuständig ist, die im Schengen Informationssystem II ab März 2005 zum Einsatz kommen sollen. Zwischen dem Vertreter der Bundesregierung und dem Abgesandten der EU gab es jedoch auch Differenzen, vor allem in der Frage der Templates, die auch die Privatwirtschaft beschäftigt. So lehnen die Techniker in der EU Templates ab, um nicht von einem Hersteller abhängig zu werden, und setzen auf Gesichtserkennung und Fingerabdruck im "Vollbildmous". Dagegen favorisieren die deutschen Fachleute im Meldewesen die sparsamen Datensätze der Templates und die Kombination aus Fingerabdruck und Iriserkennung.

Der Einsatz der Biometrie ist nicht mehr aufzuhalten, so könnte das Fazit der Biometrie-Tagung lauten. Als Defizit der Veranstaltung muss dabei jedoch festgehalten werden, dass diejenigen, die die ausufernde Nutzung der Biometrie kontrollieren sollen, nicht eingeladen waren. "Datenschutz ist nicht unser Thema", verkündete Geschäftsführer Reithmeier vom veranstaltenden Verband für Sicherheitstechnik schroff, gab sich aber am Ende geläutert und kündigte zum Jahresende eine weitere Tagung an, zu der Datenschützer eingeladen werden sollen. (Detlef Borchers) / (jk)