Bundeskriminalamt soll Websperren nicht anwenden

Das umkämpfte Zugangserschwerungsgesetz tritt voraussichtlich schon am Dienstag in Kraft. Die Bundesregierung will dann gemäß der Koalitionsvereinbarung dafür sorgen, dass das BKA die Sperrklauseln nicht umsetzt.

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Das heftig umkämpfte Zugangserschwerungsgesetz tritt nach der überraschenden Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler (CDU) voraussichtlich schon am Dienstag in Kraft. Die Verkündung der Vorschriften, denen zufolge das Bundeskriminalamt (BKA) eigentlich bei wenig Aussichten auf das Löschen kinderpornographischer Seiten direkt auf Servern auch Sperren entsprechender Webseiten anordnen kann, am Montag im Bundesgesetzblatt sei realistisch, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am heutigen Samstag gegenüber heise online. Plangemäß würden die Regeln dann tags darauf greifen. Im Sinne der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und FDP solle das Gesetz aber dann so angewendet werden, dass zunächst nur "das Löschen veranlasst wird". Gleichzeitig solle eine Evaluierung dieser Praxis beginnen.

Zuvor war im Blog der "Online-Demonstrations-Plattform für Menschen- und Bürgerrechte im digitalen Zeitalter" (ODEM) der angeblich finale Entwurf für einen Erlass des Innenministeriums aufgetaucht. Damit solle das BKA angewiesen werden, das Zugangserschwerungsgesetz nur teilweise umzusetzen, schrieb der Journalbetreiber Alvar Freude dazu. Das Schreiben ist datiert auf den 17. Februar, also just den Tag der Unterzeichnung des Normenwerks durch das Staatsoberhaupt.

Konkret wird in dem Brief auf die geplante Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Löschung kinderpornographischer Inhalte im Internet verwiesen. Bis zum Inkrafttreten dieser Regelung werde man sich auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes bereits "ausschließlich und intensiv" auf die Entfernung entsprechender Materialien an der Quelle einsetzen. Sperren würden dagegen nicht vorgenommen.

Zugleich wird das BKA mit dem Papier, dessen Authentizität das Innenressort nicht bestätigen will, um die Beachtung einer Reihe von Vorgaben gebeten. So habe die Wiesbadener Polizeibehörde ihren gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraum so zu nutzen, dass keine Aufnahme von Webadressen in Sperrlisten erfolge und Zugangsblockaden unterblieben. Vielmehr seien Staaten mit Betreibern einschlägiger Server zu benachrichtigen. Diese Notiz sei mit der "nachdrücklichen Bitte um Löschung des Inhalts und um entsprechende Rückmeldung" zu versehen.

Das Verfahren soll zugleich "uneingeschränkt" auch für die mit fünf großen Providern abgeschlossenen Sperrverträge gelten. Parallel seien als kinderpornographisch ausgemachte Inhalte künftig "auch den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft" wie der deutschen Beschwerdestelle mit dem Ziel der Löschung der Dateien zu melden. Über die getätigten Unterrichtungen und Resonanzen sei ein monatlicher Bericht zu erstellen.

Staatsrechtler haben den nun eingeschlagenen Weg zur Nichtanwendung weiter Teile eines gültigen Gesetzes als hoch problematisch bezeichnet. Auch im Bundesjustizministerium hatte es kürzlich noch geheißen, dass man über diesen Ansatz schon hinaus sei. Linke und Grüne plädieren daher für einen sauberen Schnitt und die komplette Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes durch Parlament und Bundesrat. Auch die SPD hat für kommende Woche eine vergleichbare Initiative angekündigt. Zu diesem Schritt kann sich Schwarz-Gelb aber nicht durchringen. Es gebe keine Bestrebungen in diese Richtungen, hieß es im Innenministerium. Ein Sprecher des Justizressorts betonte, dass "wir vor allem keine Sperrinfrastruktur wollen". Zu deren Verhinderung müsse es zeitnah eine "gesetzliche Regelung" geben.

Das Bundespräsidialamt gibt sich derweil bedeckt, was den Schriftwechsel zwischen Bundesregierung und Köhler im Zusammenhang mit der Prüfung des Zugangserschwerungsgesetzes auf formale Verfassungskonformität betrifft. Einen entsprechenden Antrag der Grünen zur Akteneinsicht auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes lehnte die Behörde gerade ab mit der Begründung, dass es sich bei dem Vorgang nicht um eine "öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe" handele. Teile des Briefverkehrs sind inzwischen aber auch im Internet verfügbar. (mw)