Biotreibstoffe ohne Mikroben

US-Forscher haben einen neuen chemischen Prozess entwickelt, der aus Pflanzenabfällen Benzin und Kerosin macht.

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  • Kevin Bullis

US-Forscher haben einen neuen chemischen Prozess entwickelt, der aus Pflanzenabfällen Benzin und Kerosin macht.

Ein neuartiges Verfahren, das an der University of Wisconsin-Madison entwickelt wurde, macht aus zellulosehaltiger Biomasse, die aus Agrarabfällen stammt, Benzin und Kerosin. Dabei werden zwei bislang unerwünschte Nebenprodukte, Lävulinsäure und Ameisensäure, so modifiziert, dass Mikroorganismen zur Verarbeitung der Zellulosemoleküle zu Zucker nicht mehr notwendig sind.

Der Prozess gehört zu mehreren neuen Techniken, mit denen sich konventionelle Treibstoffe aus Biomasse statt aus Rohöl herstellen lassen. Im Gegensatz zu Ethanol, dem aktuell meistverwendeten Biotreibstoff, lassen sich diese energiereichen Flüssigkeiten in unmodifizierten Motoren verbrennen und mit Hilfe der bestehenden Infrastrukturen transportieren. Und es kommt noch besser: Das Kerosin, das sich mit solchen Prozessen herstellen lässt, ist leistungsfähig genug, um kommerzielle Jumbos und Militärjets anzutreiben.

Herkömmliche Verfahren zur Herstellung der Biotreibstoffe enthalten jedoch stets biologische Komponenten, bei denen Mikroben Zucker aus der Biomasse erzeugen – und das funktioniert im industriellen Maßstab nicht immer verlässlich. Die rein chemische Methode der Forscher aus Wisconsin soll sich leichter kontrollieren lassen.

Zellulose ist einer der Hauptbestandteile von Biomasse. Um diese in Treibstoff umzusetzen, muss sie zunächst in simplere chemische Komponenten zerlegt werden, etwa Einfachzucker. Diese Aufgabe übernehmen beim Wisconsin-Prozess nicht Mikroorganismen, sondern eine Säurebehandlung. Die dabei üblicherweise entstehenden Nebenprodukte Lävulinsäure und Ameisensäure werden von den Forschern gezielt genutzt. "Statt diese unerwünschten Stoffe zu bekämpfen, überlegten wir uns eine Methode, sie als Ansatzpunkt zur direkten Herstellung von Treibstoff zu nutzen", erklärt James Dumesic, Professor für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften an der University of Wisconsin-Madison.

Bob Baldwin, Prozessmanager für den Bereich Thermochemie am US-Nationallabor für erneuerbare Energien in Colorado (NREL), hält die Methode für einen "völlig neuen Ansatz zur Herstellung von Biotreibstoffen". Die Säuren werden dabei zunächst zu Gamma-Valerolacton kombiniert, einer industriellen Chemikalie. Katalysatoren aus Kieselsäure und Tonerde helfen anschließend bei der Umwandlung zu Buten, einem Gas, das sich sehr leicht in flüssige Kohlenwasserstoffe umsetzen lässt – darunter eben auch Kerosin und Benzin.

Doug Cameron, Wissenschaftsberater beim Analysehaus Piper Jaffray, sieht in dem neuen Prozess vor allem einen großen Vorteil: Er sei nicht nur CO2-neutral, sondern CO2-negativ. Der Grund: Bei dem Verfahren entsteht ein sehr reiner CO2-Hochdruckstrom, der sich leicht auffangen und sequestrieren lässt.

Noch existieren allerdings einige wirtschaftliche Fragen. NREL-Experte Baldwin zufolge produziert der Prozess zwar einen hohen Ertrag, doch durch die Vielzahl an Einzelschritten wäre er womöglich recht teuer. Das Verfahren müsste außerdem mit anderen thermochemischen Prozessen konkurrieren, die sich ebenfalls an Biomasse anpassen lassen – etwa jenen, mit denen aus Kohle flüssige Treibstoffe werden. (bsc)