Microsoft als "starker Präzedenzfall" für die EU

Microsoft-Chef Steve Ballmer kündigte heute an, weiter kämpfen zu wollen.

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Microsoft muss trotz Zugeständnissen in der letzten Minute mit einem millionenschweren EU-Rekordbußgeld wegen vermuteten Markt-Missbrauchs rechnen. Dreitägige Marathonverhandlungen mit Microsoft-Konzernchef Steve Ballmer seien gescheitert, erklärte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti am Donnerstag in Brüssel. Am kommenden Mittwoch werde die Kommission wie geplant ihren Strafbeschluss fällen. Beobachter rechnen mit einem Bußgeld im unteren dreistelligen Millionenbereich.

Microsoft-Chef Steve Ballmer kündigte an, weiter zu kämpfen. "Wir haben hart daran gearbeitet, den Fall ohne einen Prozess zu lösen", sagte er. Damit spielte Ballmer auf eine mögliche Klage seines Konzerns vor dem EU-Gericht in Luxemburg an. "Da wir den Beziehungen zu Regierungen in ganz Europa einen hohen Wert zurechnen, haben wir alle Anstrengungen unternommen, um zu einem Vergleich zu kommen. Und ich hoffe, dass wir vielleicht später noch eine Einigung erzielen werden", sagte Ballmer.

Grundsätzlich hätten sich die beiden Parteien geeinigt, so Ballmer. "Wir waren aber nicht in der Lage, uns auf Prinzipien für Fragen zu einigen, die in der Zukunft auftauchen könnten." Microsoft-Manager Brad Smith glaubt sogar, das Angebot seiner Firma hätte alle Probleme des Falles lösen können, nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt.

Die Kommission wirft Microsoft vor, die starke Stellung bei Personalcomputer- Betriebssystemen unter Umgehung der Wettbewerbsregeln auszuweiten. Die Behörde plant deshalb Auflagen für den US-Konzern.

Monti sagte: "Wir haben deutlichen Fortschritt im Hinblick auf die Probleme der Vergangenheit gemacht, doch wir haben uns nicht auf Zusagen des Konzerns für das zukünftige Marktverhalten einigen können." Weiter sagte er, der freie Wettbewerb in Europa und die Verbraucher seien besser mit einem "starken Präzedenzfall" bedient. Dies sei nötig, um für das Unternehmen mit einer beherrschenden Stellung Prinzipien für die Geschäftspraktiken zu schaffen. Der Italiener lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit dem Konzern in den vergangenen Wochen.

Microsoft wollte eine Vereinbarung und keinen rechtsverbindlichen Bescheid der Kommission, der von Microsoft-Konkurrenten in den USA als Basis für Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnte. Auch wollte der Softwareriese aus Redmond im US-Bundesstaat Washington die Zahlung eines Strafgeldes vermeiden.

Monti, der mehrere schwere Schlappen vor dem Europäischen Gerichtshof einstecken musste, ist sich in dem seit Jahren verfolgten Microsoft-Fall der Rückendeckung der EU-Staaten sicher. Am nächsten Montag (22. März) werden Vertreter der EU-Staaten hinter verschlossenen Türen über das Bußgeld beraten. Das bisher höchste Bußgeld gegen ein Unternehmen wegen Marktmissbrauchs betrug 75 Millionen Euro. Zwei Tage später wird dann die Kommission entscheiden.

Der Konzern soll zwei Bereiche für mehr Wettbewerb öffnen. So soll es für Computerhersteller auch eine Windows-Version ohne den Mediaplayer geben, mit dem man Musik- und Videoprogramme abspielen kann. Konkurrenten von Microsoft wie RealNetworks oder Apple hätten damit verbesserte Chancen. Zudem will die Kommission bei Betriebssystemen von Servern technische Angaben zu den Schnittstellen (APIs). Microsoft wies bisher die Vermutung des Marktmissbrauchs stets zurück. Im US-Kartellverfahren hatte sich der Softwarekonzern dank einer außergerichtlichen Einigung mit dem Justizministerium in Washington gut behaupten können.

Microsoft ist seit Jahren im Visier der EU-Wettbewerbshüter

Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft ist seit Jahren im Visier der EU-Wettbewerbshüter. Ende der 90er Jahre und Anfang 2000 prüfte die Kommission auf Grund von Konkurrenten-Beschwerden bereits die Preispolitik von Microsoft -- Missbrauchsverfahren wurden jedoch nicht einleitet. (anw)