Strafverfolger: Kampf gegen "Hydra" Kinderpornographie teils verloren

Oberstaatsanwalt Peter Vogt aus Halle bemängelt, dass es "momentan kein geeignetes Konzept" zum Vorgehen gegen Missbrauchsbilder im Internet gebe. Vor allem gegen die Verbreitung über P2P-Netze und E-Mail könne man kaum vorgehen.

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Oberstaatsanwalt Peter Vogt aus Halle hat bemängelt, dass es "momentan kein geeignetes Konzept zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet" gebe. Die Beschneidung der Köpfe der "Hydra" sei teils nicht mehr zu schaffen, beklagte der Strafverfolger auf einer Anhörung der FDP-Bundestagsfraktion am Mittwoch in Berlin. Seine Sorge galt vor allem der Verbreitung von Missbrauchsbildern per E-Mail und über Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P). Vor allem bei entsprechenden illegalen Filesharing-Aktivitäten habe das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung des Bundesverfassungsgericht einen "rechtsfreien Raum" geschaffen.

Bisher konnten Ermittler laut Vogt durch "anlassunabhängige Recherchen" mit speziellen Codewörtern dem Austausch kinderpornographischer Dateien über P2P-Netze "begegnen". Dabei hätten sie aber nur die IP-Adresse als Ansatz gehabt. Die Internetkennungen würden nun von den Providern aber nicht mehr sechs Monate verdachtsunabhängig aufbewahrt. Dies habe dazu geführt, erläuterte Vogt, dass er selbst "30 Akten" mit einem Schadensvolumen von rund 30 Millionen Euro habe zumachen müssen.

Auch die Aufklärungsmöglichkeiten bei elektronischer Post gab der Staatsanwalt "verloren". Dort sei es "dem Zufall überlassen", ob ein Täter auffalle. Im Gegensatz dazu verwies Vogt auf die Praxis in den USA, wo automatisiert E-Mail-Anhänge auf Kinderpornographie gescannt und mit Datenbanken mit Missbrauchsbildern abgeglichen würden. Auf Nachfrage erklärte der Strafverfolger, dass er selbst eine solche Durchleuchtung des Mailverkehrs nicht wünsche, auch wenn dabei "kein Text gelesen wird". Bei Newsgroups hielt Vogt ein Vorgehen mit verdeckten Ermittlern für möglich. Auch soziale Netzwerke stellten kein Problem dar, da dort die Verbreitung einschlägigen Materials mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden könne.

Der Ermittler geht davon aus, dass der Bereich "kommerzieller Homepages" einen Markt mit Jahresumsätzen zwischen drei und 20 Milliarden Euro bilde. Eine Auswertung eines entsprechenden Rings mit 100.000 kinderpornographischen Seiten habe ergeben, dass dabei Einnahmen von 10 Millionen Euro pro Jahr erzielt worden seien. Frank Ackermann vom Beschwerdestellen-Verbund INHOPE führte dagegen aus, dass auch im Ausland mittelfristig keine einzige gemeldete entsprechende Domain online bleibe. Die Hälfte der registrierten Fälle seien "binnen fünf Tagen" offline, 93 Prozent binnen zwei Wochen.

In Deutschland werde das Material zu 100 Prozent innerhalb weniger Stunden heruntergenommen. Ein Problem ist laut Ackermann, dass nicht alle der angeschlossenen 36 Beschwerdestellen in 31 Ländern die Host-Anbieter direkt alarmieren würden. Auch hierzulande werde zwar zunächst das Bundeskriminalamt (BKA) benachrichtigt. Schon wenige Stunden später wende man sich aber auch an die Betreiber. Es müsse ein vergleichbares internationales "Notice-and-takedown"-Verfahren etabliert und das Verfahren beschleunigt werden.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich gegen "wohlfeile Maßnahmen" aus, "die nur vortäuschen, das Problem zu lösen". Sperren seien der falsch Ansatz, weil sie mit "enormen Kollateralschäden" verbunden wären. Deshalb werde jetzt im Rahmen der Teilanwendung des Zugangserschwerungsgesetzes die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Einrichtungen der Selbstregulierung der IT-Branche verbessert, unterstrich die FDP-Politikerin den Regierungsansatz. Parallel werde in der schwarz-gelben Koalition "noch diskutiert", ob der Ansatz "Löschen statt Sperren" gesetzlich weiter "eindeutig klarzustellen" sei. Auch Katherina Scholz, Vorsitzende des Vereins "Trotz Allem", plädierte dafür, sich "weg vom Internet, hin zur realen Welt" zu wenden. Sexualisierte Gewalt finde schließlich im echten Leben statt. Sperren seien daher "das falsche Signal".

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(vbr)