Digitales Freiwild: Urheberrecht in Zeiten der KI

KI-Werke sind nicht urheberrechtlich geschützt. Die Kreativbranche, aber auch Auftraggeber müssen sich darauf einstellen.

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Dieses Bild ist nicht urheberrechtlich geschützt, es wurde mit Midjourney erstellt.

(Bild: Erstellt mit Midjourney von Joerg Heidrich)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Joerg Heidrich
Inhaltsverzeichnis

Künstliche Intelligenz spielt eine immer zentralere Rolle bei der Erstellung von Inhalten und hat in vielen Unternehmen bereits Einzug gehalten. Dadurch entstehen zahlreiche neue urheberrechtliche Fragestellungen hinsichtlich der Einordnung von KI-generierten Texten und Bildern. Einigkeit besteht hinsichtlich der Erkenntnis, dass die Produkte von ChatGPT & Co in den allermeisten Fällen nicht urheberrechtlich geschützt sind.

Dies ergibt sich daraus, dass es sich dabei um das Ergebnis eines maschinellen Prozesses handelt – und nicht um eine menschliche Schöpfung. Der Mensch setzt diesen Prozess durch seine Eingabe lediglich in Gang, hat aber nur begrenzten Einfluss auf das Ergebnis. Voraussetzung für einen urheberrechtlichen Schutz ist aber ein "Schöpfungsakt" eines Menschen. Daran fehlt es bei Bildern oder Texten, die von KI berechnet werden.

Für die Urheber von KI-Content ist diese Einstufung Fluch und Segen zugleich. Einerseits ermöglicht die fehlende Notwendigkeit einer Lizenzierung oder Freigabe durch Rechteinhaber eine viel freiere Nutzung der generierten Werke. Sie sind ungeschützt und können uneingeschränkt verwendet werden. Kein Wunder, dass die Anbieter von Stockfoto-Diensten gegen Bild-KI Sturm laufen und deren Entwicklung durch Klagen verzögern wollen. Denn gerade einfache Bilder oder Grafiken mit Symbolcharakter lassen sich auch mit Anbietern wie Midjourney oder Stable Difussion problemlos erstellen und dann ohne weitere Kosten nutzen.

Andererseits bedeutet das Fehlen von Urheberrechten, dass diese Werke von jedermann genutzt und verbreitet werden können, was sie im digitalen Raum praktisch zu "Freiwild" macht. Da es keinen rechtlichen Schutz gibt, kann auch niemand die Nutzung der Werke verbieten. Ein nicht weiter bearbeitetes Bild oder ein ChatGPT-Text kann also von jedermann für eigene Zwecke übernommen werden. Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur in wenigen Bereichen, die über ein Leistungsschutzrecht verfügen. Hierzu gehört etwa die Games- oder Filmindustrie.

Bis vor kurzem war eine solche rechtliche Einordnung angesichts eines übermächtigen Urheberrechts weitgehend unvorstellbar. Doch was bedeutet diese Erkenntnis und welche Konsequenzen hat sie für Verlage, Agenturen oder Freelancer?

In der Öffentlichkeit bislang wenig diskutiert, in der Praxis aber von erheblicher Bedeutung ist die Frage, wie hybride Werke zu bewerten sind. Darunter versteht man KI-Inhalte, die sowohl menschliche als auch maschinelle Anteile enthalten. Spätestens nach der flächendeckenden Einführung von Angeboten wie Microsoft Copilot dürfte dies der Regelfall sein. Hybrid sind zum einen solche Werke, die zunächst von Menschen verfasst und dann von künstlicher Intelligenz überarbeitet werden. Die Frage stellt sich aber auch in umgekehrter Richtung, nämlich wenn ein Mensch einen selbst erstellten Text von einer Maschine umfassend überarbeiten lässt.

Aus rechtlicher Sicht dürfte hier die Frage entscheidend sein, wie hoch der Anteil der Maschine ist. Unproblematisch ist es, Rechtschreibung und einzelne Formulierungen zum Beispiel durch MS Word oder Anbieter wie DeepL Write überarbeiten zu lassen. Eine komplette Neuformulierung eines Artikels durch ChatGPT wird dagegen sicherlich zu einem Ergebnis führen, das nicht mehr durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützt ist.

Erhebliche Rechtsunsicherheit besteht bei allen Inhalten, die irgendwo im 50-50-Bereich liegen und bei denen im Ergebnis nicht klar ist, ob ein Rechtsschutz besteht. Technologische Unzulänglichkeiten verschärfen diese Problematik. Derzeit ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, KI-generierte Inhalte überhaupt zuverlässig zu identifizieren. Selbst wenn also ein Verdacht auf übermäßige KI-Beteiligung besteht, kann dieser kaum verifiziert werden. Dies stellt nicht nur Schulen und Universitäten vor erhebliche Probleme, sondern betrifft auch Buchverlage oder Zeitschriften.

Ganz praktisch betrifft diese Einstufung bereits die Vertragsverhältnisse vieler Kreativer, die KI für ihre Arbeit nutzen. Deren Vereinbarungen sehen bisher immer die Übertragung von Nutzungsrechten an ihre Auftraggeber vor. Enthalten die übertragenen Werke aber einen überwiegenden Anteil von KI-Inhalten, so besteht ein solches Recht gar nicht und kann dementsprechend auch nicht übertragen werden. Die Folge wäre ein Verstoß gegen bestehende vertragliche Vereinbarungen.

Betroffen sind davon beispielsweise Designer, Illustratoren, Autoren oder Fotografen. Wenn diese mit Zustimmung ihrer Auftraggeber KI-generierte Inhalte erstellen, ist dringend zu empfehlen, neue Verträge abzuschließen, die diesem Umstand rechtlich Rechnung tragen. Auf dieser Grundlage kann ein Bild oder ein Text zwar an den Auftraggeber weitergegeben werden, auch exklusiv. Es bleibt jedoch der Nachteil, dass der übertragene KI-Content nach wie vor ungeschützt ist und auch von Dritten uneingeschränkt genutzt werden kann.

Die Schwierigkeit, KI-generierte Werke zu erkennen und einzuordnen, bedroht auch die Funktion und Zukunft von Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort, der GEMA oder der VG Bild-Kunst. Diese schütten Gelder, die beispielsweise durch den Kauf von Speichergeräten oder Druckern entstehen, an die Kreativen aus und tragen so zu deren Einkommen bei. Der entsprechende Vertrag mit der Gesellschaft setzt jedoch die Übertragung bestimmter Nutzungsrechte voraus, die bei KI-Inhalten nicht gegeben sind. Wer also ein künstlich geschaffenes Werk bei einer Verwertungsgesellschaft anmeldet, macht sich unter Umständen sogar strafbar.

Schließlich wird die Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte immer lauter. Eine solche Kennzeichnung könnte helfen, rechtliche Probleme zu lösen und gleichzeitig Transparenz zu schaffen. Die jüngste Rüge des Deutschen Presserats an eine Zeitschrift, die nicht gekennzeichnete KI-generierte Inhalte veröffentlicht hatte, verdeutlicht die Bedeutung und die möglichen Folgen mangelnder Transparenz.

Eine rechtliche Notwendigkeit für eine solche Kennzeichnung besteht derzeit jedoch nicht. Dabei stellt sich auch die Frage, wo genau eine solche Pflicht greifen soll und ab welchem Punkt KI-Inhalte vorliegen. Denn auch die vielfach bearbeiteten und kaum noch menschlich wirkenden Bilder etwa auf den Titelseiten von Fernsehzeitschriften dürften mit realistischen Abbildungen nur noch wenig zu tun haben.

Insgesamt steht die Rechts- und Kreativwelt durch die zunehmende Präsenz von KI in der Content-Erstellung vor einer Reihe komplexer Herausforderungen. Eine sorgfältige Prüfung und Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Entwicklung von Technologien zur Erkennung von KI-generierten Inhalten sind entscheidende Schritte, um die Integrität und die Rechte aller Beteiligten zu wahren – ohne gleichzeitig die enorme Kreativität, die in der Nutzung von KI steckt, zu ersticken.

(emw)