Länder verteidigen neue Auflagen zum Jugendmedienschutz

Der Entwurf für einen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag soll die Informationsfreiheit Erwachsener nicht beschneiden. Aber auch Blogger trügen Verantwortung für Inhalte, hieß es auf dem PolitCamp 2010 in Berlin.

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Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, hat den Entwurf für einen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) gegen anhaltende Kritik in Schutz genommen. "Es geht nicht darum, dass für Erwachsene Inhalte nicht zugänglich sind", betonte der SPD-Politiker am heutigen Samstag auf dem PolitCamp 2010 in Berlin. Kernidee der Novellierung sei es vielmehr, dass Kinder und Jugendliche ein für ihr Alter angemessenes Internetangebot bekämen. Dafür sollten Eltern die Möglichkeit erhalten, über Jugendschutzprogramme für gewisse Altersgruppen und damit für ihre Schützlinge nicht geeignete Online-Inhalte zu blockieren.

Zur technischen Realisierung der Filtersysteme wird laut dem Staatssekretär ein "einfaches Identifikationsverfahren" in Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) geschaffen, "wo sich jeder selbst einschätzen kann". Im Gegenzug werde der entsprechende Inhalte-Lieferant "von der Haftung freigestellt", solange er nicht klar gegen Jugendschutzauflagen verstoße. Stadelmaier unterstrich, dass auch Blog-Betreiber Verantwortung für ihre Inhalte hätten und an dem Ratingverfahren teilnehmen sollten. Wer dies nicht tue, müsse in Kauf nehmen, dass Eltern ihre Webseiten ausblenden würden, wenn sie sich für den Einsatz eines entsprechenden Jugendschutzprogramms einsetzten.

Der Ländervertreter räumte ein, dass gerade Produzenten aus der Rundfunkwelt alternativ auch weiterhin "Sendezeitbegrenzungen" im Internet vornehmen könnten. Zudem bestehe nach wie vor die Möglichkeit, als "Ultima Ratio" die Sperre von Webseiten anzuordnen. Dies geschehe aber "in deutlich anderer Form" als beim teils auf Eis gelegten Zugangserschwerungsgesetz. So müssten konkrete Inhalte auf Basis eines Verwaltungsaktes blockiert werden, der beklagbar sei. Es gebe keine allgemeine Schwarze Liste. Das Verfahren sei als letztes Mittel nötig, "wenn einer unbelehrbar ist". "Bestimmte Sachen" wie Kinderpornographie, nationalsozialistische Symbole oder Rassenhass dürfen im Netz eben nicht verbreitet werden.

Generell habe der JMStV in Europa bereits in seiner jetzigen Form eine Vorbildfunktion eingenommen, führte Stadelmaier weiter aus. Der Kritik am wenig durchsichtigen Verfahren der Verabschiedung von Staatsverträgen hielt er entgegen, dass die Landesparlamente "natürlich beteiligt" würden. Der jüngste Entwurf von Mitte März sei zudem gerade ins Internet gestellt worden und werde nun den Ministerpräsidenten zur Entscheidung vorgelegt. Danach gehe das Vorhaben in die Parlamente. Dass man nicht vorab stärker selbst in die Öffentlichkeit gegangen sei, habe daran gelegen, dass die Initiative "ewig lang außer einer speziellen Community keinen interessiert hat".

Thomas Jarzombek, ehemaliger Landespolitiker in Nordrhein-Westfalen und inzwischen CDU-Bundestagsabgeordneter, bezeichnete die skizzierte demokratische Beteiligung als Farce. Er sprach von einem "Sieg der Bürokratie über die Parlamente". So werde das Konstrukt mehr oder weniger hinter verschlossenen Türen von den Rundfunkreferenten ausgehandelt. Dann heiße es: "Friss oder stirb." Änderungen durch die Volksvertreter seien nicht vorgesehen. Der gewählte Ansatz mit Selbstbewertung von Seiten und darauf basierenden Filtern funktioniere zudem vielleicht bei 7-, aber nicht mehr bei 14-Jährigen. Ergebnis sei, dass die Schutzprogramme rasch wieder ausgeschaltet würden. Das ganze Rating wäre damit vergebens.

Im Namen des Chaos Computer Clubs (CCC) vermisste Constanze Kurz "ein Stück weit die Sensibilität" der Länder nach der "ganzen Debatte" um Websperren durch das Zugangserschwerungsgesetz. Die Umsetzung der angegebenen Ziele sei einfach "verbesserungswürdig", da müssten die Länder noch einmal "ein Stück zurückgehen". Die Netz-Community habe die Sache mit den Sendezeiten zudem prinzipiell abgeschreckt. Zudem gebe es nach wie vor keine klare Definition des Begriffs des "Anbieters" von Inhalten. Letztlich klinge die ganze Initiative "schwer nach 60er- und 70er-Jahre-Rundfunk".

Stephan Dreyer vom Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung lobte prinzipiell den Weg hin zu Jugendschutzprogrammen. Dieses Konzept sei zwar schon lange im JMStV vorgesehen, aber auch sieben Jahre nach Inkrafttreten des Normenwerk sei noch keine einzige entsprechende Software von den Jugendschützern akzeptiert worden. Der Gedanke, die Eltern selbst zum Steuern in die Lage zu versetzen, sei begrüßenswert. Allerdings dürfe es keine praktische staatliche Verpflichtung zur Selbstkennzeichnung geben. Nicht bewertete Seiten seien insofern nicht automatisch als "ab 18" einzustufen. Zudem müssten die Programme so leicht verständlich sein, dass sie normale Anwender nutzen könnten. (ea)