Ach Facebook, 20 Jahre – und du hast dich sehr verändert
Facebook hat Geburtstag. Eva-Maria Weiß blickt zurück und sagt, schön war es, ist es aber irgendwie nicht mehr.
Vor 20 Jahren, am 4. Februar 2004, starteten Mark Zuckerberg und seine Freunde von der Harvard University "The Facebook". Zunächst eine Plattform für die Gründer und deren erlauchten Freundeskreis, konnten ein Jahr später alle US-Colleges und Unis mitmachen. Die erste Million Nutzer – heute sind es drei Milliarden. Wir nehmen zum Anlass nehmen für einen ganz persönlichen Rückblick – auf die spaßigen Anfangszeiten des sozialen Netzwerks, den Absturz und die dann noch immer nicht eingetretene Bedeutungslosigkeit. Totgesagte leben länger, das gilt offenbar ganz besonders für Facebook.
Eigentlich waren ja alle Studenten erstmal beim StudiVZ, dem roten Abklatsch von Facebook. Bis plötzlich die große Welle englischsprachige Coolness herüberschwappte und jeder wechselte. Wer mochte, der spielte, postete, las und stalkte nun sehr viele Stunden am Tag. Diesmal waren sie dann auch bald alle da, nicht nur die Studis: ob Azubi oder Schüler, Emos mit schrägem Pony oder BWL-Justus mit aufgestelltem rosa Polo-Kragen. Eltern kamen später, blieben aber offensichtlich länger.
Ich prokrastiniere, was teilst du so?
Damals waren Statusmeldungen wirklich noch genau das: man meldete seinen aktuellen Zustand. "Heute prokrastiniere ich wieder besonders hart, meine Küche ist blitzeblank." Heute ist mir nicht mehr so ganz klar, warum ich es für eine ausreichend interessante Meldung hielt, so etwas zu posten. In meiner Studentenblase war das Wort "Prokrastination" wie ein Insider, den alle benutzten, und bei dem sich alle zugehörig fühlten. Vielleicht fand ich es auch deshalb lesenswert, wenn meine Kommilitonin schrieb, dass sie dagegen Suppe mit einer Gabel essen musste, weil sie vor lauter Stress, der Abgabetermin für die Hausarbeit kommt ja immer so plötzlich wie der Schnee für die Bahn, den Abwasch nicht mehr schafft.
Mit dem iPhone 3 und dem 3GS etwa 2008 zogen vermehrt Fotos ein. Zum Status konnte man einen Schnappschuss oder, noch ganz neu, Selfies hochladen. Meine ersten Profilbilder sind allesamt mit kleinen Digitalkameras gemacht oder mit der integrierten Kamera meines weißen MacBooks, das sich ähnlich nach dazugehören anfühlte, wie zu prokrastinieren – und wahnsinnig miese Bilder machte im Vergleich zu heute.
So posteten wir alle also Bildchen von unserem Chaos, dem Urlaub und mancher auch von sich mit schmolligen Lippen. War und ist es eigentlich angeben, wenn man sich und sein Leben teilt? Mark Zuckerberg ist bis heute nicht müde geworden, zu erklären, dass er mit seinen Diensten die Menschen näher zusammenbringen möchte. Als Facebook mir noch gezeigt hat, was meine Freunde, die sich nach dem Studium in alle Welt verteilten, hier und da machen, empfand ich es als nützlich, die App zu öffnen, sogar trotz der aufkommenden Bedenken, was mit den Daten passiert. Dann wurde es zunehmend unübersichtlich, chaotisch, uninteressant, überladen und schwurbelig.
Facebook ächzt und kracht unter der Last zusammen
Gruppen und Seiten, Spiele wie Farmville machten schon 2008 den Anfang. Mit den vorgegebenen Erntezeiten auf den virtuellen Feldern des Bauernhof-Spiels zog ein klein bisschen Suchtfaktor ein, ständig online zu sein. Etwas, das Facebook bis heute gerne sieht. Mehr Nutzungszeiten, mehr Möglichkeiten, Werbung auszuspielen und damit Geld zu verdienen. Manche sagen, Facebook seien die Mittel dazu egal, Hauptsache es zieht. Facebook sagt, dass sie klare Grenzen hätten, miese Inhalte würden schließlich der Plattform schaden. Ja. Eine Erkenntnis, der aber offensichtlich wenig Handlung folgt.
Dutzende Dienste folgten, die sich einbinden ließen. Bei Foursquare, später Swarm, konnte man an Orten einchecken und das über Facebook teilen: "Juchu, du hast diese Woche dreimal in deiner Lieblingskneipe eingecheckt!" Juchu, deine Leber freut sich. Ähm. Mehr und mehr Nachrichten, Organisationen, Stars, Politiker und ältere Generationen machten sich auf Facebook zusätzlich breit. Der Dienst lief irgendwann nur noch so schleppend, dass Facebook einen kompletten Relaunch machen musste. Aus einer mehr oder weniger coolen Studi-Bude mit Startup-Vibe und Veggie-Würstchen war ein gigantisches Unternehmen geworden, mit Millionen Nutzern.
Die Webseite wechselte immer wieder die Optik, nachzuschauen ist das im "Versionsmuseum". Ursprünglich total übersichtlich – mit eigenem Profilbild und daneben den eigenen Beiträgen – haben wir heute drölf Bedienelemente, verschiedene Timelines und absolut keine Ahnung mehr, warum Facebook einem welche Inhalte zeigt. Es posten immer weniger Freunde private Beiträge, also macht Facebook Vorschläge. "So sieht dieser Star heute aus! Das wirst du nicht glauben!" Wer dachte, Clickbaiting habe seinen Zenit erreicht, der möge Facebook öffnen.
Abgesang auf Facebook
Dennoch ist das soziale Netzwerk nicht totzukriegen. Die Nutzerzahlen sind stabil. Kinder und Jugendliche ziehen zwar nicht nach, aber besonders die ältere Zielgruppe scheint es sich sehr bequem gemacht zu haben. Es gibt nach wie vor einen regen Austausch in Gruppen, Fans und Sammler finden sich, tauschen sich aus, verkaufen Produkte. Als Jobmarkt taugt die Plattform, zumindest für viele Freiberufler und Künstler, die ihre Netzwerke dort haben.
Dabei ging es mit dem Abgesang schon zum 10-jährigen Jubiläum los: Facebook, die Datenkrake, Cambridge Analytica, die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten 2016, der soziale Druck, den Facebook und später auch Instagram auf die Menschen ausüben. Der Daumen hoch ist 2009 eingezogen. Dass es etwas mit den Menschen macht, wenn sie Likes bekommen, oder auch nicht, haben auch Facebook und Co. inzwischen verstanden. Die Anzahl der Likes wird für andere inzwischen teilweise sogar versteckt. Jugendschutz und Kindergefährdung sind Dauerbrenner-Themen. Und kann man eigentlich noch Menschen poken?
Schwurbeln und Aufschreien
Facebook wehrt sich gegen den Vorwurf, sie würden alles dafür tun, damit die Leute möglichst viel Zeit auf der Plattform verbringen. Aber neben dem Clickbaiting steht auch Schwachsinn, vermeintlich tote Kinder und Hundewelpen sowie alles, was möglichst viele Emotionen auslöst, gerne mit Erinnerungen an vergangene Tage – sentimental ist auch so ein Gefühl, das offensichtlich die Leute kitzelt.
Es ist eine regelrechte Aufreger-Plattform geworden. Was früher ominöse Statusmeldungen von Freunden waren, die auf eine Rückfrage abzielten, sind heute möglichst provokante Aussagen, die Reaktionen auslösen. Was für Facebook selbst gilt, gilt nämlich auch für viele Nutzer – auch sie wollen Reaktionen. Spaß macht das aber keinen.
Lösche ich jetzt endlich mein Konto? Seit Jahren sage ich peinlich berührt, dass ich noch immer ein Konto habe. Mein Job ist mehr als nur eine gute Ausrede, ich muss neue Funktionen checken und Einstellungsänderungen finden – was Facebook einem wirklich nicht leicht macht.
Es hat damals Spaß gemacht. Sogar meine Reisfelder bei Farmville waren lustig. Aber um näher an Menschen dran zu sein, muss ich inzwischen bei WhatsApp Sprachnachrichten und Statusmeldungen checken und Instagram durchscrollen. Man gut, dass beides Meta Töchter sind. Räusper.
(emw)