Umfrage: Hass im Internet bringt viele Menschen zum Schweigen

Eine Umfrage unter gut 3000 Internetnutzern zeigt, dass Hass im Netz weit verbreitet ist. Viele ziehen sich mit ihren Meinungen zurück.

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(Bild: Tinnakorn jorruang / Shutterstock.com)

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Der Hass verbreitet sich weiter im Internet. Das schließt Bundesfamilienministerin Lisa Paus aus einer umfassenden bundesweiten Umfrage, die sie am heutigen Dienstag vorgestellt hat. In dieser haben 49 Prozent der Befragten angegeben, online schon einmal beleidigt worden zu sein. 25 Prozent wurden mit körperlicher Gewalt und 13 Prozent mit sexualisierter Gewalt konfrontiert. Besonders häufig betroffen sind demnach zu 30 Prozent Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund, ebenfalls zu 30 Prozent junge Frauen und zu 28 Prozent beziehungsweise 36 Prozent Menschen mit homosexueller und bisexueller Orientierung. 42 Prozent der jungen Frauen erhielten bereits ungefragt ein Nacktfoto.

Für die Erhebung "Lauter Hass – leiser Rückzug" (PDF) hat das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Internet 3061 Internetnutzer in Deutschland im Alter ab 16 Jahren online befragt. Es ist die erste umfassende und bundesweite Erhebung zu Hass im Netz seit 2019. Darin haben 57 Prozent angegeben, sich im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung zu äußern. 55 Prozent beteiligen sich seltener an Diskussionen und 53 Prozent formulieren Beiträge bewusst vorsichtiger.

82 Prozent der Befragten befürchten, dass Hass im Netz die Vielfalt im Internet gefährdet und 76 Prozent sind besorgt, dass durch Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunimmt. 89 Prozent stimmen zu, dass Hass im Netz in den jüngsten Jahren zugenommen hat; 55 Prozent stimmten diesem Eindruck voll und ganz zu, 34 Prozent "eher".

Hass im Netz begegnete den Befragten am ehesten auf X (aka Twitter), TikTok, Facebook, Instagram und Telegram. Mit etwas Abstand folgen Dating- und Gaming-Plattformen, Youtube, pornografische Angebote und schließlich Whatsapp. Aggressive oder abwertende Aussagen richteten sich vorwiegend gegen Politiker, Geflüchtete, Aktivisten und Menschen mit Migrationshintergrund. Selbst von Hass im Internet betroffen waren 15 Prozent.

90 Prozent der Befragten meinen, dass Hass im Netz gelöscht werden muss, wenn er gegen Gesetze verstößt. Als "Hass im Netz" sahen die Befragten zu 93 Prozent an, wenn eine Person rassistisch beleidigt wird, 86 Prozent sahen dies in einer Beleidigung der sexuellen Orientierung und 85 Prozent jeweils aufgrund des Geschlechts oder wenn trans Personen beleidigt werden. Am anderen Ende der Skala sehen es 50 Prozent als Hass im Netz an, wenn eine Person sagt, der Islam erobere Europa oder wenn eine Person ihre eigene Kultur als überlegen darstellt.

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"Ob toxische Kommentare, Drohungen, beängstigende Kampagnen: Hass im Netz ist allgegenwärtig. Viele Menschen sind davon abgestoßen oder eingeschüchtert, halten sich zurück oder schweigen", erklärte Paus in Berlin. "Das gibt denen Raum, die laut und aggressiv sind. Es bedroht unsere Demokratie."

Bereits in der Studie aus dem Jahr 2019 im Auftrag von Campact hatten viele Befragte angegeben, sich wegen Hassattacken aus Online-Debatten zurückgezogen zu haben. Seinerzeit waren 8 Prozent der Befragten direkt von Hatespeech im Internet betroffen. Das hatten relativ häufig jüngere Menschen und solche mit Migrationshintergrund angegeben. 2023 hatte Forsa ermittelt, dass 76 Prozent der Internetnutzer bereits Hasskommentare aufgefallen sind. In der nun vorliegenden Studie hatten dies 45 Prozent angegeben.

"Das Internet ist einer der wichtigsten öffentlichen Debattenräume unserer Zeit. Umso besorgter blicken wir auf die Erkenntnisse aus der Studie. Wir beobachten im Netz offene und unverhohlene Angriffe auf die Grundwerte und Prinzipien unserer Demokratie", heißt es vom Kompetenznetzwerk, das sich zusammensetzt aus dem der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur "Das Nettz", den Neuen deutsche Medienmacher*innen, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur sowie HateAid.

(anw)