Apple: Keine zweite Ära Steve Jobs
Wenige Tage vor der Macworld Expo in Boston schien für viele Beobachter festzustehen, daß Apple-Mitbegründer Steve Jobs den Aufsichtsratsvorsitz des kriselnden Unternehmens übernehmen werde.
Wenige Tage vor der Macworld Expo in Boston schien für viele Beobachter festzustehen, daß Apple-Mitbegründer Steve Jobs den Aufsichtsratsvorsitz des kriselnden Unternehmens übernehmen werde. Damit stand plötzlich wieder ein Akteur im Rampenlicht, der unlängst noch erklärt hatte, er sei an einem Führungsposten bei Apple nicht interessiert. Dasselbe versicherte Jobs erneut in einer heute bekanntgewordenen Email an die Mitarbeiter seiner Firma Pixar. "Ich liebe meine Arbeit bei Pixar," schrieb er. "Ich kann mir keinen cooleren Platz vorstellen."
Jobs erklärte, der Apple-Aufsichtsrat habe ihn vor drei Wochen von der bevorstehenden Entlassung Gil Amelios informiert und ihm die Firmenleitung (CEO) angeboten. Er habe das Angebot ausgeschlagen. Dann sei ihm der Aufsichtsratsvorsitz angeboten worden, was er gleichfalls abgelehnt habe. Er habe jedoch eingewilligt, seine Arbeit bei Apple für maximal 90 Tage zu verstärken, um der Firma bis zur Einstellung eines neuen CEO zu helfen.
Demgegenüber hatten Insider von Jobs bevorstehendem Comeback berichtet – zwölf Jahre, nachdem er unfreiwillig aus dem Apple-Aufsichtsrat ausgeschieden war. Apple wolle die Neuigkeit am Eröffnungstag der Macworld bekanntgeben, hieß es. Der Fernsehsender CNBC berichtete unter Berufung auf gut unterrichtete Kreise, die Ernennung sei bereits unterzeichnet. Seit Amelios Rücktritt hatte das Management des Computerherstellers mehrfach bekräftigt, Jobs solle und wolle künftig eine "gewichtigere Rolle" im Konzern übernehmen. Ihm traue man es am ehesten zu, der Marke die dauerhafte Loyalität der Mac-Fans zu sichern. Als bekannt wurde, daß Jobs anstelle des ursprünglich vorgesehenen Entwicklungschefs Avie Tevanian die Keynote zum Messeauftakt halten werde, schlossen viele Beobachter auf die bevorstehende Ernennung.
Die Börse reagierte auf die sich verdichtenden Gerüchte positiv. Allerdings gab es auch skeptische Stimmen: Einige Analysten meinen, mit Jobs an der Spitze des Aufsichtsrats werde die Suche nach einem Amelio-Nachfolger wesentlich schwieriger werden: "Welche Sorte von CEO würde schon unter Jobs arbeiten wollen? Er wäre kein starker Führer," meinte ein Investment-Banker gegenüber der Nachrichtenagentur Reuter.
Diese Befürchtungen sind nun wohl zertreut. Doch unabhängig davon trauen die meisten Beobachter Jobs zu, auch als temporärer De-facto-Boß die Geschicke Apples zu wenden: "Er wird es schaffen, Apple wieder zu stärken," zitiert das Wall Street Journal den Chef von Be Inc. und früheren Apple-Entwicklungsleiter Jean-Louis Gassee: "Ich habe überhaupt keinen Zweifel an seinem Erfolg, weil es zu viele Leute geben wird, die ihm helfen wollen." (cp)