Zivilgesellschaft setzt Regierung bei Informationsfreiheit unter Druck

Fünf Verbände haben gemeinsam einen eigenen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt und so vehement die "transparente Regierung" eingefordert.

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Fünf Verbände wollen sich nicht länger damit abfinden, dass Deutschland nach wie vor das europaweite Schlusslicht bei der Behördentransparenz darstellt. Sie haben am heutigen Freitag in Berlin auf Eigeninitiative hin einen vollständigen "Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes" vorgelegt. Mit dem über 30-seitigen Papier wollen sie "einen allgemeinen und umfassenden, verfahrensunabhängigen Anspruch auf Zugang zu Informationen bei den öffentlichen Stellen des Bundes" einführen. Das bisher hierzulande noch geltende obrigkeitsstaatliche Prinzip des "Amtsgeheimnisses" soll umgekehrt werden in einen nur in Ausnahmefällen begrenzten Informationsanspruch für alle. Unterlagen und Daten öffentlicher Einrichtungen würden so in der Regel jedem Bürger zugänglich sein, was Gemauschel und Korruption zwischen Verwaltung und Wirtschaft einen Strich durch die Rechnung machen soll.

Zu dem Aktionsbündnis für den Kulturwandel in der Verwaltung haben sich das Netzwerk Recherche, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) von ver.di, der Deutsche Journalistenverband (DJV), die Humanistische Union (HU) sowie die Antikorruptionsorganisation Transparency International zusammengeschlossen. Ihnen ist ein Dorn im Auge, dass die bisherigen Versuche zur Etablierung von mehr Akteneinsicht am Widerstand der Ministerialbürokratie und der Wirtschaft scheiterten und Deutschland ein "weißer Fleck" auf der Weltkarte der Verwaltungstransparenz blieb.

Rot-Grün hatte Ende der 1990er schon einmal einen zögerlichen Anlauf gestartet, der von Telepolis publik gemacht wurde. Das federführende Bundesinnenministerium stutzte den Entwurf jedoch kurz darauf zurecht und führte ihn damit ad absurdum.

Mit der konkreten Vorlage, die einen Kompromiss aus den verschiedenen Interessen der Verbände darstellt, "wollen wir die Abgeordneten jetzt zum Jagen tragen", erklärte Christoph Bruch von der HU gegenüber heise online. Die gemeinsame Initiative soll signalisieren, "wie wichtig wir den Informationszugang für die Zivilgesellschaft erachten". Es handle sich dabei um ein Grundbedürfnis im Wissenszeitalter und damit um die Ausgestaltung eines Bürgerrechts. Es geht darum, heißt es in dem Entwurf, "das Handeln der Exekutive transparent und damit für die demokratische Entwicklung fruchtbar zu machen". Die Verfügbarkeit über Verwaltungsinformationen sei "von entscheidender Bedeutung für den zukünftigen Charakter der bürgerschaftlichen Teilhabe insbesondere an staatlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen". Für Journalisten erwarten die Verbände zudem bessere Recherchemöglichkeiten, da Originaldokumente leichter eingesehen werden könnten.

Um den neu zu schaffenden, prinzipiellen Informationsanspruch nicht in der Praxis zahnlos ausfallen zu lassen, sollen die Behörden und mit dem Bund zusammenarbeitende Firmen nur die tatsächlich anfallenden Sachkosten für die Herstellung von Kopien und deren Versendung berechnen dürfen. "Insbesondere werden die ersten 100 Fotokopien, die erste Diskette sowie die erste CD-ROM kostenfrei überlassen", legt Artikel 8 fest. Die Verpflichteten sollen so auch angehalten werden, von sich aus Informationen bereits im Internet "vorsorglich" bereitzustellen. Der Vorschlag schreibt dafür einen Grundbestand vor. Eng begrenzte Ausnahmen vom Recht auf Einsicht sollen vor allem personenbezogene Daten, aber auch Geschäftsgeheimnisse "einschließlich der Rechte am geistigen Eigentum" streng schützen. Ermittlungstätigkeiten der Sicherheitsbehörden sowie ein "Kernbereich des behördlichen Entscheidungsprozesses" will der Entwurf ebenfalls tabu halten.

In einer ersten Reaktion freute sich Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber heise online über die "beispielhafte" Unterstützung durch die Zivilgesellschaft beim Öffnen der Aktenschränke: "Ich begrüße, dass wir hier an einem Strang ziehen und dass die Journalistenverbände an Bord sind." Das Informationsfreiheitsgesetz habe eine wichtige Bedeutung für die gesamte Öffentlichkeit. Er forderte auch Wirtschafsverbände wie den BDI auf, ihre bisherige Blockadehaltung gegenüber dem Gesetz aufzugeben. Über die getroffenen Ausnahmeregelungen ließe sich dem befürchteten Verlust von Betriebsgeheimnissen klar entgegenwirken. Gerade Unternehmen hätten die Chance, am stärksten von einem Informationszugangsrecht zu profitieren. So gehe die Bertelsmann-Stiftung davon aus, dass etwa in den USA die dort schon seit Jahren gewährte Akteneinsicht zu 80 Prozent aus der Wirtschaft in Anspruch genommen werde. (Stefan Krempl) / (jk)