Die Quellen Microsofts, braune Bettwäsche und der Unterbau der Sphinx

Wer wirklich eine fundamentale Neuerung oder eine wissenschaftliche Sensation zu bieten hat, geht damit besser nicht am 1.4. an die Öffentlichkeit.

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Der Umgang mit dem Internet wird unsicherer und sicherer -- das scheint eine Frage der Perspektive, so wie die Neigung, ob man eine 20-GByte-Festplatte, auf der sich 10 GByte Daten tummeln, als halb voll oder halb leer ansieht. Gewiefte Nutzer des weltweiten Netzes neigen ohnehin zur Vorsicht, auch gegenüber den verbreiteten Inhalten, die angesichts der schieren Fülle angebracht scheint. Wer ist nicht schon einmal durch einen Hoax auf den Arm genommen worden oder zeigte sich zumindest im Ansatz anfällig für eine Verschwörungstheorie? Das Internet sollte für den heutigen Tag noch ungeeigneter erscheinen, da darin auch anderntags nach Lust und Laune fabuliert wird. Man ist versucht, selbst einem so "honorablen" Menschen wie Konrad von Finckenstein keinen Glauben zu schenken -- auch wenn sein kanadisches Urteil sehr real und ganz unspaßig gemeint ist.

So wird sich mancher heute bei einem Besuch der Website der Open-Source-Software-Sammlung FreshMeat die Augen oder seinen Browser gerieben haben. Die Beiträge auf der Eingangsseite zu Software-Updates scheinen völlig verunglückt zu sein, heißen die ersten Worte doch beispielsweise "GerrYvar vf hfrq gb betnavmr". Nur jene, die schon einmal etwas durch einen ROT13-Konverter gejagt haben, wissen, dass sich nicht nur Hackernamen auf diese Weise verschlüsseln lassen, sondern auch gute Wünsche für die passende Ankündigung der Webseitenumstellung. Auch auf Newssites ist nicht mehr Verlass: Wer sich bislang für sein Microsoft-Betriebssystem Winbeta als News-Quelle auserkoren hat, wird sich vielleicht schon nach einer apfellosen Alternative umgeschaut haben.

Das Wunschdenken der Internetgemeinde bei den Hörnern zu packen ist ebenfalls eine Erfolg versprechende Variante für den Aprileinstieg, zum Beispiel mit der Meldung, Mac OS X halte nun Einzug auf Intel-PCs. Und da mancher sich fast schon zu der Mutmaßung veranlasst fühlte, dass Uli Hoeneß in brauner St.-Pauli-Bettwäsche schläft, könnte es ja auch durchaus sein, Microsoft wird als Good-Will-Maßnahme Groß-Sponsor des Hamburger Kiez-Clubs. Das scheint wahrscheinlicher als die Erklärung der IFPI, sich mit den Forderungen des CCC zur Entkriminalisierung der Privatkopie solidarisch zu erklären.

Ja, Microsoft wird gerne hergenommen, zumal sich die Redmonder anscheinend mit den Jahren eine dicke Haut zugelegt haben. Da wird dann frech und frei behauptet, das Unternehmen könne die vielfältigen Anforderungen an sein nächstes Betriebssystem nicht allein schultern, daher werde es zur Open Source; im Zuge dieser Initiative kaufe es auch gleich das Projekt SharpDevelop. Zugleich schimpft die Berliner Opposition über einen "Stolpe-Stein" und einen "weiteren Mautpfeiler, gegen den der Verkehrsminister ungebremst gerast" sei, und das nur, weil die Redmonder bei Toll Collect einsteigen. Währenddessen lauscht eine neue Digitalkamera von Hewlett-Packard und ordnet mittels Spracherkennung die Aufnahmen -- sehr praktisch.

Lebewesen, die sich nicht wehren können oder wollen, scheinen auch gut als Protagonisten für besondere Meldungen geeignet zu sein. Wie zum Beispiel in jene von dem Fiffi, der dem Bluetooth-Handy gehorcht oder die von humorigen niedersächsischen Beamten in die Welt gesetzte Rettungsseehundestaffel. Schließlich lässt sich ja der in Bremen begangene Haustierkult erwiesenermaßen auf die vierte ägyptische Dynastie zurückführen. Für jene, die die lieben Tiere am liebsten gebraten mögen, gibt es da noch den George Foreman USB iGrill. Er kann Rezepte aus dem Internet "lesen" und kochtechnisch umsetzen. Die sind dann hoffentlich geschmackvoller als der Hardware-Trojaner, der angeblich auf Sex-Seiten im Netz hinterlegt wird und auf die DSL-Technik spezialisiert sein soll. Der Dialer "01APRIL2004" nistest sich ohne Wissen des Nutzers im Arbeitsspeicher des DSL-Modems ein und wählt von heute an im Sekundentakt eine thailändische Telefonsex-Nummer.

Schwer glaubhaft, möchte man meinen, vor allem angesichts der ebenfalls alljährlich auftauchenden Störgewitter, die schon am Vortag einsetzen, zum Beispiel von Seiten der EU. Sie will dem recht flachen Mecklenburg-Vorpommern anscheinend ein Seilbahngesetz aufzwingen. Wer gerne seine Mitmenschen in den April schicken will, aber keine Idee dazu hat, kann sich einen Scherz bei eBay ersteigern. Derzeit ist das Angebot recht billig, aber leider erst in zwei Tagen zu haben. Der Anbieter verspricht, der Scherz sei unbenutzt und eigne sich auch für nächstes Jahr, also vier Jahre, bevor die ersten Menschen den Mars betreten. Aber zuvor werden wohl die ersten Ingenieure ihre Arbeit im Google Copernicus Center auf dem Mond antreten. (anw)