Seekabel in der Arktis geplant: Heißer Draht durch die Eiswüste

Far North Fiber soll auf einer rund 15.000 km langen Strecke Westeuropa über Nordamerika mit Japan per Glasfaser verbinden. Im Winter würde das Eis schützen.​

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(Bild: Michal Balada/Shutterstock.com)

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Das Auftauen des Eises in der Arktis wird neue Wege für Unterwasser-Internetkabel eröffnen. Darauf wettet zumindest ein Konsortium, das aus den Firmen Cinia Oy (Finnland), Far North Digital (USA) und Arteria Networks (Japan) besteht. Das von dem Joint Venture vorangetriebene Projekt Far North Fiber will auf einer knapp 15.000 Kilometer langen Strecke Westeuropa über Nordamerika mit Japan per Glasfaser verbinden. Als führender Technologiepartner ist Alcatel Submarine Networks (ASN) an Bord. Mit dem ambitionierten Vorhaben wollen die Beteiligten eine alternative Datenroute im hohen Norden bieten, die zumindest im Winter unter einer Eisdecke vor Angriffen gut geschützt wäre.

Dass kritische Unterwasser-Infrastruktur gefährdet ist, haben spätestens 2022 die Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee vor Augen geführt. Voriges Jahr wurden Gas- und Telekommunikationskabel wiederum vor Dänemark beschädigt. Dabei steht vor allem ein chinesisches Schiff in Verdacht, mit seinem Anker die Leitungen beschädigt zu haben. Im März wurden Datenkabel im Roten Meer gekappt, nachdem die jemenitische Regierung vor Attacken der Huthi-Rebellen gewarnt hatte. Laut Marktbeobachtern werden 99 Prozent des gesamten internationalen Internetverkehrs über rund 500 Seekabel abgewickelt. Weltweit ist ein Kampf um die Kontrolle solcher strategischen Ressourcen und die durchgeleiteten Datenmassen entbrannt. Über 90 Prozent des gesamten Verkehrs zwischen Europa und Asien sollen über die Route des Roten Meeres fließen.

Es gebe eindeutig eine Konzentration mehrerer Seekabel, sodass die Gefahr von Engpässen in bestimmten Gebieten bestehe, erklärte Taneli Vuorinen, geschäftsführender Vizepräsident von Cinia, gegenüber dem Portal Politico. Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, bestehe ein zunehmender Druck, eine größere Vielfalt beim Routen anzubieten. Genau hier will Far North Fiber ansetzen. Das geplante Kabelsystem soll von Japan über die Nordwestpassage nach Europa führen und in Alaska enden. Europäische Landestellen sind in Norwegen, Finnland und Irland geplant. Entlang der Strecke sind weitere Abzweigungen in der Arktis sowie im Pazifik und Atlantik vorgesehen. Die Route soll die Paketumlaufzeit auf 142 Millisekunden (ms) drücken. Zum Vergleich: Für Verbindungen zwischen Deutschland und den USA beträgt die entsprechende Verzögerung üblicherweise 100 bis 150 ms, bis nach Fernost bis zu 300 ms.

Bis vor wenigen Jahren wäre eine solche Initiative undenkbar gewesen, da damals eine dicke, ganzjährige Eisschicht die Schifffahrt rund um den Nordpol weitgehend unmöglich machte. Doch die Arktis erwärmt sich inmitten des Klimawandels rasant – fast viermal schneller als der Rest der Welt. Das Meereis schrumpft dort so jedes Jahrzehnt um fast 13 Prozent. Laut Ik Icard, Chefstratege bei Far North Digital, können Schiffe angesichts des Tauwetters im Sommer nun Kabel verlegen, während der Frost im Winter Störungen zu vermeiden helfe. Gegenüber Politico sprach Icard von einem "idealen Punkt" mit einem gut zugänglichen Zeitfenster. Er verheimlichte aber nicht, dass in flachere Gefilde driftende Eisschollen Kabel auch gefährden könnten. Reparaturen wären zudem ebenfalls nur im Sommer möglich. Notfalls lasse sich der Verkehr aber umleiten.

Die veranschlagten Kosten für die Fertigstellung des Projekts bis voraussichtlich Ende 2026 oder Anfang 2027 in Höhe von einer Milliarde Euro sind überdurchschnittlich hoch. So schlagen Seekabel durch den Atlantik laut Experten mit rund 250 Millionen Euro zu Buche, eine Pazifikleitung mit etwa 320 Millionen. Die EU fördert das Projekt mit rund 23 Millionen Euro über das Konnektivitätsprogramm CEF Digital. Vuorinen setzt auf zusätzliche Unterstützung vor allem von den USA und Kanada, um die Initiative auch kommerziell zum Erfolg zu führen. Es gebe bereits viele Interessenbekundungen von Big-Tech-Konzernen. Diese schätzen Rechenzentren in kühleren Regionen, da sie dort mit weniger Energiekosten betrieben werden können. Vereinbarungen mit japanischen, isländischen, finnischen und irischen Partnern rund um Landerechte sowie Anbindungs- und Genehmigungsdienste hat das Konsortium nach eigenen Angaben bereits getroffen.

(mki)