Großkampftage gegen Softwarepatente in Brüssel

Verbände, Wirtschaftsinstitute und die Grünen laden kommende Woche zu Konferenzen und zu einer online wie offline stattfindenden Demo nach Brüssel.

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Die Woche nach Ostern steht in Brüssel ganz im Zeichen von Kundgebungen gegen die befürchteten innovationsfeindliche Auswirkungen von Softwarepatenten. Die Aktionstage starten am 14. April mit einer Demo unter dem Motto "No Software Patents -- Power to the Parliament". Hauptorganisator ist der Förderverband für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), der seit langem der schärfste Kritiker der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" ist. Mit dem Protestmarsch will der Verband die Haltung des Europaparlaments in Fragen Softwarepatenten stützen, da dieses dem Schutz trivialer Erfindungen einem Riegel vorschob. Die klare Linie der Abgeordneten wird momentan vom Rat der Europäischen Union unterlaufen.

Die um 11.30 Uhr startende Demonstration soll online von einem Heer schwarzer Websites vorbereitet und begleitet werden. Der FFII hat Gegner von Softwarepatenten dazu aufgefordert, ihre Netzdependancen bis zum Tag der Kundgebung zu "schließen" beziehungsweise mit einem vorgefertigten, auf die Brüsseler Aktion hinweisenden Template zu verzieren. Auch Solidaritätsbanner bietet der Verband an. Am Donnerstag hatten sich bereits gut 800 Webadministratoren zur Teilnahme an der Online-Demo bereit erklärt.

Schon am Mittwochnachmittag folgt ein Symposium, das einen internationalen Vergleich der Gesetzgebung zum Monopolschutz für Computerprogramme ziehen will. Dazu lädt neben dem FFII das International Institute of Infonomics des renommierten Maastricht Economic Research Institute on Innovation and Technology (MERIT) ein. Unternehmer und Patentanalysten werden dort vor allem die Praxis des Europäischen Patentamts (EPA) kritisch unter die Lupe nehmen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Thema Wettbewerb in Wissensökonomien, wobei auch die Entscheidung der EU-Kommission im Kartellverfahren gegen Microsoft auf verbliebene Interoperabilitätsfallen hin abgeklopft wird.

Am 15. April werden sich Linux-Freaks aus den 25 zukünftigen Mitgliedsstaaten der EU ein Stelldichein bei der ganztägigen "euroLUGparty" (LUG wie in Linux User Groups) der Grünen im Europaparlament geben. Den Vorsitz hat der Ko-Vorsitzender der Fraktion, Daniel Cohn-Bendit, übernommen. Zu den Vortragenden zählt "DVD-Jon" Lech Johansen, der noch einmal aus den Mühlen der Gerichte entkommene Mitentwickler des Kompatibilitätswerkzeugs DeCSS. Auf der Agenda steht auch ein Zwischenstandsbericht zum Einzug von freier Software in die Münchner Verwaltung. Die Abschlussrede hält mit Alan Cox einer der "Linux-Väter", der gemeinsam mit Linus Torvalds einen offenen Brief gegen Softwarepatente nach Brüssel geschickt hat.

Auf der Ebene der Mitgliedsstaaten ist bislang wenig Bewegung in die Haltung zum Monopolschutz für "Programmerfindungen" gekommen. Gerade bei der vom Parlament vorgesehenen Möglichkeit, interoperable Lösungen auch bei patentgeschützten Anwendungen zuzulassen, mauert der Rat. Der FFII fürchtet daher, dass wettbewerbssichernde Schrankenbestimmungen unter die Räder kommen und Monopole gestärkt werden. Besonders stört sich der Verband daran, dass im jüngsten Ratspapier von Mitte März ein neuer, leicht irreführender Erwägungsgrund auftaucht. Demnach soll ein "marktbeherrschender Zulieferer" zwar zur Herstellung von Kompatibilität gezwungen werden können -- allerdings nur im Rahmen "eines kostspieligen, langwierigen und selten erfolgreichen Verfahrens", wie der FFII warnt. Verbandssprecher Hartmut Pilch beklagte gegenüber heise online, dass sich die Patentpolitiker weiter nur an die rechtlich umstrittenen Verfahren des EPAs klammern würden. Es habe eine Verhärtung zu Gunsten der Patentlobby stattgefunden. (Stefan Krempl) / (jk)