Urteil: NSA-Lauschprogramm rechtswidrig

Ein Bundesrichter in San Francisco hat einer Klage der Al-Haramain Islamic Foundation gegen geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen in den USA ohne richterliche Anordnung stattgegeben.

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Vaughn Walker, Bundesrichter für den Bezirk Nordkalifornien in San Francisco, hat einer Klage der Al-Haramain Islamic Foundation gegen geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen in den USA stattgegeben. Er verurteilte (PDF-Datei) gestern das von der National Security Agency (NSA) betreute Abhörprogramm der Bush-Regierung nach dem 11. September 2001 in dem konkreten Fall als rechtswidrig, da die Ausspähung der islamischen Stiftung und zweier ihrer Anwälte ohne richterliche Anordnung erfolgt sei. Dies stelle einen Verstoß gegen das mittlerweile mehrfach novellierte US-Gesetz zum Abhören der internationalen Telekommunikation im Rahmen der Auslandsaufklärung, den Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), dar.

Die Kläger hatten laut Walker ausreichend Beweismaterial beigebracht, dass sie Opfer einer rechtswidrigen Überwachung ihrer elektronischen Kommunikation wurden. Sie durften aber ein Fax nicht verwenden, das die US-Regierung versehentlich an die Stiftung geschickt hatte und das als klare Bestätigung der Illegalität der Abhöraktion gilt. Das US-Justizministerium hatte dagegen – sowohl unter US-Präsident George W. Bush als auch unter dessen Nachfolger Barack Obama – erfolgreich die Pflicht zum Schutz von Staatsgeheimnissen in Stellung gebracht. Doch auch ohne dieses Dokument befand Walker die Nachweise erdrückend, dass den Klägern persönlicher Schaden durch die Überwachung entstanden sei. Die angeklagte US-Regierung sei dagegen nicht ihrer Aufgabe nachgekommen, darzulegen, dass eine Gerichtsgenehmigung eingeholt, das Belauschen nicht stattgefunden oder in anderer Weise rechtmäßig gewesen sei. Die Klage habe daher nicht wie von der Verteidigung gefordert abgewiesen werden können.

Nach der Theorie der Verteidigung dürften Regierungsvertreter das geltende Recht und Gesetz als "optional" ansehen und sich zur Umgehung des FISA frei nach Gusto auf das Privileg der Staatsgeheimnisse berufen, moniert der Richter. Dabei sei das Abhörgesetz erlassen worden, um eine Kontrolle der Justiz "über einen Missbrauch der Überwachungsbefugnisse der Exekutive" zu erlauben. Die Regierung habe zwar eine beeindrucke "argumentative Akrobatik" zur Untermauerung dieses Ansatzes vorgebracht. Walker habe diese aber nicht gelten lassen können, da die Verteidigung sich einfach auf das normale Gerichtsverfahren hätten einlassen können. Ein einziger Nachweis für die Erwirkung einer FISA-Anordnung innerhalb der vielen Stufen der rund fünfjährigen Auseinandersetzung hätte gereicht, um dem Fall eine Wendung zu geben.

Einer der Al-Haramain-Anwälte, Jon Eisenberg, begrüßte den Beschluss als "implizite Zurückweisung" der Machttheorie der Bush-Regierung. Walker habe daran erinnert, dass der Präsident genauso das Gesetz achten müsse wie jeder andere US-Bürger. Vom US-Kongress erlassene Normenwerke dürften von niemandem für beliebig erklärt werden. Al Harmain will das Urteil anerkennen und den rechtlich vorgesehenen Schadensersatz in Höhe von 20.200 US-Dollar für jeden der drei namentlichen Kläger nebst Ausgleich der Verfahrenskosten beanspruchen. Zusätzlich wollen die Anwälte das Gericht bitten, der Beklagten eine Strafe aufzuerlegen. Die US-Regierung kann aber auch noch in die Berufung gehen.

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) erhofft sich von dem Urteil auch einen Fingerzeig für das Berufungsverfahren zweier anderer Klagen von US-Bürgern gegen das Lauschprogramm. Diese hatte Walker Anfang des Jahres zurückgewiesen, da er dort den individuellen Schaden für möglicherweise betroffene Personen nicht herausgearbeitet sah. Die von Bush abgesegneten Abhöraktionen waren zuvor erst einmal gerichtlich verurteilt worden. Diese Entscheidung kippte ein Berufungsgericht aber in 2007. (anw)